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Brandenburg: Große Kohle-Koalition

Schwarze Pumpe: Platzeck und Merkel setzen auf Braunkohle / Flüssig-CO2 soll nicht nach Ketzin

Schwarze Pumpe/Potsdam/Berlin - Der Bau einer Pilotanlage für das deutschlandweit erste CO2-freie Kohlekraftwerk in Schwarze Pumpe hat eine Debatte über die Zukunft der Braunkohle entfacht. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auch langfristig an dem Energieträger festhalten möchten, kam massive Kritik von Umweltschützern, den Grünen und der Linkspartei. „Die Braunkohle wird keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten können“, sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Hans-Josef Fell.

Gestern hat der Energiekonzern Vattenfall mit dem Bau eines neuartigen Kohlekraftwerks am Lausitzer Industriestandort Schwarze Pumpe begonnen. Den symbolischen ersten Spatenstich setzten Merkel und Platzeck. Anders als bei herkömmlichen Kohlekraftwerken will Vattenfall das bei der Verbrennung anfallende Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Abluft abtrennen, so dass es später eingelagert werden kann. Das CO2 würde dadurch nicht in die Atmosphäre gelangen.

Allerdings wächst die Kritik an dem Projekt sowohl im Bund als auch in Brandenburg. „Die Technologie ist viel zu teuer“, sagte der energiepolitische Sprecher der Linkspartei, Hans-Kurt Hill. Die 50 Millionen Euro für das Pilotkraftwerk hätte man lieber in Windkraft investieren können. „Dann wäre erst gar kein CO2 entstanden.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte, dass mit der neuen Technik künftig noch mehr Braunkohle verbrannt werde als bisher. Die Förderung von Braunkohle im Tagebau greift massiv in das Landschaftsbild ein, bisweilen werden ganze Orte umgesiedelt.Die Umweltorganisation BUND protestierte gestern nach eigenen Angaben in der Nähe von Cottbus gegen den Bau der Pilotanlage und die Energiepolitik von Vattenfall. Die neue Pilotanlage sei ein reines Feigenblatt für den Konzern, so BUND-Bundeschef Gerhard Timm. Außerdem sei der Wirkungsgrad von Braunkohle-Kraftwerken viel zu gering.

Die brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm bezeichnete die Investition in so genannte CO2-freie Braunkohlekraftwerke „verschenktes Geld“, da die Braunkohle in Deutschland in wenigen Jahren abgebaut sei. Behm wies die Behauptung von Merkel zurück, wonach die Braunkohle in Deutschland ohne Subventionen abgebaut werde und forderte ein Ende der Investitionen in die Verstromung von Braunkohle.

Tatsächlich wird etwa in der Lausitz der Braunkohleabbau mit Milliarden direkt und indirekt subventioniert. Geld fließt nicht nur über Fördermittel in Investitionen etwa von Vattenfall, sondern auch indirekt in die Infrastruktur, die Umsiedlung ganzer Ortschaften und die Neugestaltung ganzer von Tagebauen verwüsteter Landstriche. Mit Millionenaufwand werden auch der Bau und die Entwicklung von Kraftwerken gefördert, in denen Braunkohle verbrannt werden kann.

Brandenburgs Kraftwerke gehören bundesweit zu den größten Dreckschleudern, so Behm. Das Kraftwerk in Jänschwalde liege mit einem jährlichen CO2-Ausstoß von mehr als 25 Millionen Tonnen an der Spitze. In dem neben der geplanten Pilotanlage liegenden Kraftwerk in Schwarze Pumpe werden 12 bis 15 Millionen Tonnen an CO2 im Jahr ausgestoßen.

Trotz solcher Kritik sieht Platzeck in der Braunkohle auch künftig einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für Ostdeutschland. Dafür sei das CO2-freie Kohlekraftwerk ein Beleg, sagte er zum Baustart in Schwarze Pumpe. Auch Merkel hält an der Braunkohle fest. „Deutschland kann es sich schon aus wirtschaftlichen Gründen auf absehbare Zeit nicht leisten, auf diesen Energieträger zu verzichten.“ Rund ein Viertel der deutschen Stromerzeugung basiert auf Braunkohle. Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne seien im Vergleich dazu noch relativ teuer und nicht konstant verfügbar, sagte Merkel.

Vattenfall will seine Pilotanlage 2008 in Betrieb nehmen. Allerdings wird das Kraftwerk zunächst nur 30 Megawatt (MW) Wärme erzeugen, Strom entsteht nicht. Mit einer kommerziellen Nutzung rechnet das Unternehmen erst im Jahr 2020. Stündlich werden in der Pilotanlage in Schwarze Pumpe neun Tonnen CO2 anfallen, teilte Vattenfall mit. Die Technologie für die „Verflüssigung“ des Gases sei bekannt und fast ausgereift. Mit der neuen Anlage solle vor allem das Verfahren zur Kohleverbrennung optimiert und zur Serienreife entwickelt werden.

Das bei der Verbrennung anfallende CO2 soll verflüssigt werden und vermarktet oder unterirdisch eingelagert werden. Allerdings gibt es unterschiedliche Angaben von Vattenfall dazu, wo das Gas eingelagert erden soll. Während die Projektleitung auch auf einen unterirdischen Gasspeicher bei Ketzin (Havelland) setzt), widersprach dem ein Vattenfall-Sprecher.

Entgegen anders lautenden Berichten wolle Vattenfall das „flüssige“ CO2 nicht in dem Speicher bei Ketzin einlagern, so der Sprecher gestern gegenüber den PNN. In Ketzin, so der Unternehmenssprecher, werde ein vom Vattenfall-Vorhaben unabhängiges Forschungsprojekt der Europäischen Union betrieben. Vattenfall wisse derzeit noch konkret, was mit dem Flüssig-CO2 aus Schwarze Pumpe geschehen wird. Man sei in Gesprächen mit der Industrie, die das CO2 etwa in ehemalige Erdgas-Lagerstätten unter der Nordsee „verpressen“ könne.Aus der Projektleitung hieß es hingegen, man sei daran interessiert, nach Abschluss des Forschungsvorhabens in Ketzin, dort auch „Flüssig-CO2“ einzulagern.

Theoretisch könnte der Speicher in Ketzin 100 Jahre lang das gesamte CO2 aller deutschen Kohlekraftwerke aufnehmen. Kritiker monieren allerdings, dass der Gasspeicher schon zu DDR-Zeiten undicht gewesen sein soll. „Es ist vollkommen unklar, ob der Speicher dauerhaft sicher ist“, sagte Fell von den Grünen. „Schon ein leichtes Erdbeben kann Risse zur Folge haben.“ Falls CO2 entweicht, könnte es Menschen und Tiere ersticken.

Diese Szenarien wies ein Sprecher des GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ) als unwahrscheinlich zurück. Das GFZ beginnt im Herbst mit Untersuchungen zur Einlagerung flüssigen CO2 in dem einem ehemaligen Gasspeicher bei Ketzin. Die Gasspeicherung wird nun von Forschern in einer Langzeituntersuchung einige Jahre lang beobachtet, um das Verhalten von Kohlendioxid im Untergrund zu untersuchen. Zur industriellen Einlagerung, wie es in Presseberichten geheißen hat, stehe der Speicher nicht zur Verfügung, es handele sich ausschließlichen um ein Forschungsvorhaben. Anselm Waldermann,

Peter Tiede, Jan Kixmüller

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