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Museumsleiterin Katharina Wanicki hat die Aufsicht über hunderte Puppen und Teddybären.

© Tagesspiegel/Silvia Passow

Hunderte Exponate aus vergangenen Zeiten: Schloss Freyenstein lockt mit neuem Puppenmuseum

In Freyenstein gibt es alles in alt und neu. Nun ganz neu in dem kleinen Städtchen in der Prignitz: ein Puppenmuseum mit historischen Püppchen.

Von Silvia Passow

Der Bengel hat offenbar gar keine Lust auf Schule. Er sitzt, fein ausstaffiert, auf einer dieser Schulbänke, wie man sie aus alten Filmen kennt. Der Mund empört geöffnet, doch es bleibt still, kein deutliches Bekunden von Unmut ist zu hören. Für Katharina Wanicki gehört die etwa 20 Zentimeter große Puppe zu den Lieblingsstücken im neuen Puppenmuseum. Die 37-jährige hat vor rund einem Jahr die Leitung im Neuen Schloss Freyenstein übernommen. Und dazu gehört nun auch das neue Puppenmuseum.

Die neu eingerichtete Puppenstube befindet sich in der zweiten Etage des Neuen Schlosses. Am 24. Mai öffnete das Museum für die Öffentlichkeit. Rund 500 Exponate hat Josefine von Krepl der Stadt Wittstock/Dosse übergeben, zu der die kleine Stadt Freyenstein gehört.

Von Krepl hat die Puppen über Wochen und Monate in Szene gesetzt. Ein Museum einrichten ist ihr nicht neu. Die Modedesignerin ist die Gründerin des Modemuseums Schloss Meyenburg, nur wenige Kilometer von Freyenstein entfernt. Hier legte sie mit ihrer umfangreichen Sammlung von Kleidungsstücken den Grundstock.

Puppen aus Frankreich, Russland und Indonesien

Nun also wieder ein Schloss in der Prignitz, in dem sie ihre Sammlerstücke der Öffentlichkeit zugänglich macht. Zu ihren Puppen gesellen sich Püppchen aus der Sammlung von Margot Sharma. Mit dabei sind auch die ewigen Begleiter jeder anständigen Puppengesellschaft, die Teddy-Bären. Sie sitzen zwischen den Puppengemeinschaften und haben sogar ein eigenes Teddy-Stübchen bekommen.

Josefine von Krepl in der Teddystube. Hier soll das Dekor den Jahreszeiten angepasst werden.

© Tagesspiegel/Silvia Passow

Präsentiert werden die Puppen in unterschiedlichen Szenen. Den Anfang macht ein Jahrmarkt, mit historischem Riesenrad und kletternden Stoffäffchen. Die Dekoration hat von Krepl über die Jahrzehnte zusammengesucht. Dabei ist sie auf Dachböden genauso fündig geworden, wie auf ihren Reisen. Besonders viele Stücke stammen aus Frankreich, einem ihrer liebsten Reiseziele, wie sie verrät. Weit gereist sind auch die russischen Puppen oder jene aus Indonesien.

Wertvolle Sammlerstücke und Kinderspielzeug

Die Puppe als wertvolle Dekoration auf dem Sofa sitzend oder hinter dem Glas einer Vitrine in die Welt schauend. Die Modepuppe, deren Gewandung so wichtig ist, wie der einwandfreie Zustand ihrer Frisur. Oder die Babypuppe, mit der schon früh Sozialverhalten geübt werden kann. Puppen als stille, tröstende Wegbegleiter, die jedes Geheimnis aufnehmen und nie eines preisgeben. Die Puppe als Spiegel der Gesellschaft, Puppen in fröhlich geblümten Kleidern oder elegant auf dem Sofa liegend, die Hermelinstola locker um die Schulter drapiert. Zeig mir deine Puppe und ich sag dir, wo du herkommst.

Der Klassiker fürs Puppenbettchen: die Babypuppe.

© Tagesspiegel/Silvia Passow

Ganz bewusst wird auf die Massenware der heutigen Zeit im Museum verzichtet. Die Puppen sind nicht selten Unikate, die Kleidung erst recht. Puppenkleidchen wurden früher aus Stoffresten genäht. Viele der Kleidchen hat auch von Krepl selbst genäht, für die Püppchen und Teddys.

Verzichtet wurde auch auf Schilder mit Informationen. „Ich möchte, dass die Kinder hier auf Entdeckungsreise gehen“, sagt von Krepl. Sie wolle die Fantasie der Besuchenden ansprechen. Wanicki sagt, sie wünsche sich, dass sich die kleinen Besucher selbst Geschichten zu gezeigten oder auch den eigenen Puppen ausdenken.

Wer auf handfeste Fakten nicht verzichten mag, kann eine Begleit-Broschüre erhalten. Sie verrät die Geheimnisse hinter den Puppen – etwa, was es mit der „Zauberin“, der ältesten Puppe in der Sammlung, auf sich hat.

Zauberhaft ist auch das Teddy-Stübchen. Der Teddy im Rennauto mit Mütze und Brille aus den 1930er Jahren hat es Wanicki besonders angetan. Wie Teddy-Cool sitzt er auf seinem Flitzer. Ob er nachts, wenn alles schläft, mit der schnittigen Kiste durchs Museum kurvt? Die Bewohner der Puppenstuben hätten dann jedenfalls einen optimalen Blick über das Geschehen. Sie thronen, als Abbilder ihrer Epochen, hoch an den Wänden hängend.

Eine Stadt mit zwei Schlösser

Eine Stunde Zeit sollte für einen ausgiebigen Rundgang im Puppenmuseum eingeplant werden. Schade wäre, nun gleich wieder den Rückweg anzutreten, denn das kleine Freyenstein ist mit dem Puppenmuseum nur um eine Sehenswürdigkeit reicher geworden. In Freyenstein gibt es so manches zu entdecken – nicht selten in doppelter Ausführung. Die Stadt selbst, die Schlösser, ja, es gibt zwei in dem kleinen Ort. Und sie liegen direkt nebeneinander.

„Wer hat, der hat“, sagt Wanicki und erklärt, dass das Neue Schloss in Wirklichkeit das Ältere ist. Allerdings wurde das alte Schloss auf den Grundmauern eines noch älteren Vorgänger-Schlosses gebaut. Dabei handelte es sich sehr wahrscheinlich um ein Wasserschloss. Das, was noch übrig ist, ist äußerst fotogen und steht in Sichtweite zum Neuen Schloss im Schlossgarten. Wahrscheinlich 1556 erbaut, wurde das „Alte Schloss“ nie wirklich fertiggestellt. Sehenswert sind die Terrakotten, die von der bekannten Keramikerin Hedwig Bollhagen restauriert wurden.

Das Alte Schloss im mystisch angehauchten Schlosspark.

© Tagesspiegel/Silvia Passow

Wer sich nun mit Altem und Neuem Schloss schwertut, Obacht, es gibt auch ein altes und ein neues Freyenstein. Das erste Freyenstein hieß „Vriegenstene“ und wurde um 1200 errichtet. 1287 wurde es nach mehreren Angriffen und Zerstörungen aufgegeben. Doch bevor dies geschah, zeigten die Einwohner gern, was sie hatten. Zum Beispiel gepflasterte Wege und Straßen, damals keine Selbstverständlichkeit und Ausdruck eines gewissen Wohlstandes.

Auf 25 Hektar kann dieses alte Freyenstein im Archäologischen Park erlebt werden. Damit hat Freyenstein eine der größten sogenannten Stadtwüstungen in Europa. Das Gelände kann mit einem Audioguide erkundet werden.

Nur ein Stück weiter: das neue Freyenstein mit der sehenswerten Marienkirche. Die Altarweihe der dreischiffigen, gotischen Hallenkirche wird auf das Jahr 1325 datiert.

Freyenstein bietet sich als Ausflugsziel für die ganze Familie an. Auch im Puppenmuseum freut man sich auf Familien, die gemeinsam den Ort und die Sehenswürdigkeiten besuchen. Sollte einer der Besuchenden zu viel Geld übrig haben: Die erste Etage im Neuen Schloss Freyenstein sucht noch einen finanzstarken Investor. Ideen hätte sie durchaus, wie man die Räume nutzen könnte, sagt Wanicki. Aber bis das nötige Geld für die Belebung der ersten Etage gefunden ist, bleiben die Räume verschlossen.

Schön wäre vielleicht ein Restaurant, denn an einer Versorgungsstelle für Touristen mangelt es leider. Im Museumsladen werden Erfrischungen und kleine Snacks angeboten, das war es dann aber auch. Allerdings könnte der Hunger Besuchende nach Wittstock/Dosse führen. Die Stadt der 1000 Rosen mit ihrem mittelalterlichen Flair sollte keineswegs unbeachtet bleiben. Vom Bahnhof dieser Ost-Prignitzer Perle fährt auch ein Bus nach Freyenstein.

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