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Brandenburg: Innenministerium hat „dilettantisch gearbeitet“

Die Gegner der Gemeindereform wittern nach schweren Pannen wieder Morgenluft

Die Gegner der Gemeindereform wittern nach schweren Pannen wieder Morgenluft Von Thorsten Metzner Potsdam. Nach der schweren Anhörungspanne in der Lausitz wittern die Gegner der Gemeindereform wieder Morgenluft. „Es hat sich bestätigt, dass die Reform mit heißer Nadel gestrickt wurde, dass das Innenministerium dilettantisch gearbeitet hat", sagte gestern Karsten Kuhl, Präsident des Gemeindetages. Das Gremium vertritt rund 150 Orte, die sich - unter anderem mit Klagen vor dem Verfassungsgericht - gegen die vom Landtag beschlossenen Zwangsfusionen von rund 800 Dörfern wehren. Kuhl, selbst CDU-Mitglied, hatte wegen der Gemeindereform Innenminister und CDU-Landeschef Jörg Schönbohm wiederholt Wahlbetrug vorgeworfen. Nun rechnet er damit, dass die Lausitzer Panne die Reformgegner neu „beflügeln und motivieren" wird - unter anderem für das am 16. November startende Volksbegehren gegen Zwangsfusionen. Wie berichtet waren im Amt Neuhausen die in der Verfassung vorgeschrieben Bürgeranhörungen in 15 Gemeinden versäumt worden. Dadurch sehen Landrat Dieter Friese (SPD), aber auch CDU-Amtsdirektor Dieter Perko die Chancen gestiegen, die besonders umstrittene Eingemeindung von drei steuerkräftigen Umlandorten nach Cottbus vor dem Verfassungsgericht zu Fall zu bringen. Für Kuhl ist Neuhausen allerdings „kein Einzelfall." Schon bei den Verhandlungen vor dem Verfassungsgericht werde sich zeigen, dass es auch anderswo im Land Anhörungsfehler gegeben hat. Das Innenministerium geht hingegen davon aus, dass es zumindest keine weiteren schweren Fälle wie im Amt Neuhausen gibt. Die bislang schwerste Panne bei der landesweiten Gemeindereform, für die sich Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Landrat Dieter Friese (SPD) gegenseitig verantwortlich machen, hat nicht nur juristisch, sondern auch politisch ein Nachspiel. In Landtagskreisen hieß es gestern, dass das Thema wahrscheinlich auch am Sonntag bei einer Sitzung der Koalitionsspitzen angeschnitten wird, bei der SPD und CDU jüngste Differenzen in der Naturschutz- und Bildungspolitik ausräumen wollen. Der Fall Neuhausen belege einmal mehr, dass für das Innenministerium und die Große Koalition die Anhörungsrechte von Gemeinden und Bürgern nur eine Formsache gewesen sein, erklärte Thomas Domres, der kommunalpolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion. Bei der Gemeindereform, die die Große Koalition „überfallartig" durchgezogen habe, hätte das Ergebnis vorher festgestanden. Wegen der Panne war allerdings nicht nur das Innenministerium, sondern auch das Justizministerium in die Kritik geraten, weil die brisante Information des Verfassungsgerichtes über die Lausitzer Panne dort zwei Monate schmorte. Justizministerin Barbara Richstein (CDU) wies gestern Spekulationen zurück, das Haus habe den brisanten Schriftsatz bewusst zurückgehalten, um ein laufendes Verfassungsgerichtsverfahren zur Durchführung der Kommunalwahl in diesen Orten nicht zu gefährden. „Davon kann keine Rede sein." Die Richter seien über die unterlassenen Anhörungen informiert gewesen. Das Verfassungsgericht hatte die Klage der Fusionsgegner abgewiesen und entschieden, dass die Kommunalwahl - trotz des offenen Hauptverfahrens - in diesen Orten bereits in den neuen Strukturen stattfinden kann.

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