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Brandenburg: „Man muss vor der Lage sein“

Schlagabtausch im Landtag. CDU scheitert mit Antrag für Stopp der Polizeireform

Potsdam - Er ist der Herausforderer, der bei der Landtagswahl am 14. September SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke ablösen will. Am Donnerstag kam er im Landtag aus der Deckung. CDU-Chef und Spitzenkandidat Michael Schierack hat der rot-roten Landesregierung vorgeworfen, die innere Sicherheit der Bürger in Brandenburg massiv zu vernachlässigen, Ängste in Kauf zu nehmen. In einer Aktuellen Stunde forderte Schierack den „Stopp der Polizeireform“. Ein Antrag der CDU, den Vollzug der Strukturreform sofort zu stoppen, lehnte der Landtag mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition und der oppositionellen Bündnisgrünen ab.

In seiner Rede hatte Schierack erklärt, dass die Reform gescheitert sei, wie die gestiegenen Interventionszeiten oder der Einsatz von zu wenigen Streifenwagen im Land zeigten, während Einbrüche in Wohnungen um zehn Prozent und Autodiebstähle ebenso rasant zugenommen hätten und die Aufklärungsquote mager sei. Dabei hatte Schierack Woidke auch direkt angegriffen. „Jetzt wird das vierjährige brandenburgische Polizeiexperiment zur Chefsache des Ministerpräsidenten und ich frage mich: Was hat der heutige MP drei Jahre lang als Innenminister angestellt?“

In seiner Replik erinnerte Woidke – der neben Innenminister Ralf Holzschuher (SPD), seinem Nachfolger auf diesem Posten – dann auch selbst das Wort ergriff, an die Ausgangslage 2009. Als die rot-rote Koalition angetreten sei, sei nach den Regierungsjahren vorher das „Vertrauen der Polizei in die Politik erschüttert“ gewesen, sagte Woidke. Das habe an gebrochenen Zusagen gelegen, einem langjährigen Beförderungs- und Einstellungsstau in der Polizei. „Das war die Bilanz von Innenminister Jörg Schönbohm.“ Die rot-rote Regierung habe das alles korrigiert, so viele Polizeianwärter eingestellt wie nie zuvor seit 1993. Woidkes kritische Aussagen betrafen die Amtszeit, in denen SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck, sein Vorgänger, die SPD-CDU-Regierung geführt hatte.

Vorher hatte sein Innenminister Holzschuher die Polizeireform gegen Kritik von CDU, FDP und Grünen verteidigt, lediglich erneut „Unwuchten“ bei der Umsetzung eingestanden. So sei „nicht akzeptabel“, dass die Zahl der im Land eingesetzten Streifenwagen von früher 120 im Vorjahr auf unter 100 gesunken sei. Dass es „deutliche Überhänge“ in den Stäben von Direktionen und Inspektionen gebe. Er habe darauf mit seiner Entscheidung reagiert, bis Oktober 2014 zusätzlich mindestens 150 Beamte in den Streifendienst zu schicken.

Die 2011 vom damaligen Innenminister Rainer Speer durchgesetzte Polizeireform sieht den Abbau der Landespolizei bis 2010 auf 7000 Stellen vor. Derzeit sind es noch 8250 Stellen. Vor diesem Hintergrund fragte die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher: „Wie kann es sein, dass bei einer Gesamtstärke von 8250 Beschäftigten der Wach- und Wechseldienst in einigen Bereichen die problematischen Zielstärken von 2020 schon unterschreitet?“ Und Nonnemacher erinnerte daran, dass seit Schönbohm alle Innenminister weniger Häuptlinge versprochen hätten. „Nun wird geklagt über aufgeblähte Stabs- und Führungsdienste auf Kosten des operativen Geschäfts.“ Nonnemacher warnte, mit den Umschichtungen in der Polizei neue Löcher zu reißen.

Und der FDP-Abgeordnete Hans-Peter Goetz warnte vor einer Schwächung der Kriminalpolizei, wenn nun das Gros der Polizeianwärter – Absolventen der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg – in den Streifendienst gesteckt werde. Der Innenexperte der Linke-Regierungsfraktion, Hans Jürgen Scharfenberg, forderte Holzschuher auf, in den Grenzregionen – dorthin sind Einsatzhundertschaften abgeordnet – Dauerlösungen zu schaffen. „Es ist an der Zeit“, sagte Scharfenberg. „Dort sollte kein weiterer Personalabbau stattfinden.“ Den Auftritt von Schierack bezeichnete Scharfenberg als „nicht so doll“.

Für die CDU, die die Aktuelle Stunde beantragt hatte, sprach zuletzt Innenexperte Björn Lakenmacher, ein früherer Bundespolizist. Bei Polizeiführern gebe es einen Anspruch, sagte Lakemacher: „Man muss vor der Lage sein! Sie aber rennen der Entwicklung immer hinterher.“ Lakemacher verwies darauf, dass nach Angaben des Innenministeriums bei Blaulichteinsätzen die Polizei im Land in 18 Minuten vor Ort sei. „In Nordrhein-Westfalen sind es 5 Minuten und 45 Sekunden.“ Thorsten Metzner

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