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15.06.2023, Brandenburg, Doberlug-Kirchhain: Manja Schüle (2.v.l., SPD), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und Babette Weber, Leiterin des Museumsverbunds Elbe-Elster, stehen vor dem Papier-Kunstwerk «Heraldik in Papier» von Asya Kozina (Ukraine) in der Ausstellung zur Sammlung Dohna-Schlobitten im Schloss Doberlug. Die Schau wird offiziell am 18.06.2023 eröffnet.

© dpa/Patrick Pleul

Ostpreußische Adelssammlung in Schloss Doberlug: Einblick in eine untergegangene Welt

Die einzige erhaltene ostpreußische Adelssammlung wird ab Sonntag in Doberlug-Kirchhain öffentlich gezeigt – erstmals in ihrer Gesamtheit.

Januar 1945: Mehr als 300 Menschen verlassen das ostpreußische Dorf Schlobitten. Mit Pferdewagen fliehen sie vor der anrückenden Roten Armee nach Westen. Es ist der größte Treck, der geschlossen das Gebiet der heutigen Bundesrepublik erreicht. Mit Stationen in Penkun, Wilmersdorf, Wesenberg, Putlitz und Grabow kommen die Flüchtlinge auch durch Uckermark, Seenplatte und Prignitz, bevor sie acht Wochen nach dem Beginn ihrer Reise in der niedersächsischen Grafschaft Hoya ihr Ziel erreichen.

Organisiert hat den Treck der ostpreußische Offizier Alexander Fürst Dohna-Schlobitten. Der letzte Schlossherr von Schlobitten ahnte früh, wie der Zweite Weltkrieg ausgehen würde. Einst SS-Anwärter und Anhänger des Nationalsozialismus, war Dohna-Schlobitten unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen worden, weil er sich unter Verweis auf die Genfer Konvention weigerte, Kriegsgefangene erschießen zu lassen. Ein naher Verwandter gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, wurde verurteilt und hingerichtet.

Heimlich hörte Alexander Fürst Dohna-Schlobitten die Sendungen der BBC, ahnte, was kommen würde. „Obwohl es verboten war, hat er große Teile des Inventars seines Schlosses in den Westen gebracht“, sagt Babette Weber, Leiterin des Museumsverbunds Elbe-Elster. Das Ergebnis: „Die Sammlung Dohna-Schlobitten ist die einzige ostpreußische Adelssammlung, die heute noch zu großen Teilen erhalten ist.“

Blick in die Ausstellung zur Sammlung Dohna-Schlobitten im Schloss Doberlug.

© dpa/Patrick Pleul

1978 konnte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten große Teile der Sammlung von der Familie erwerben. In den 1990er Jahren erfolgte der Ankauf von Kunstgegenständen, die sich während der Teilung Deutschlands in der DDR befanden. „Fürst Dohna-Schlobitten hatte ein großes Interesse, die Sammlung im Zusammenhang zu bewahren und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Weber.

Jahrelang im Berliner Schloss Charlottenburg und im Schloss Schönhausen ausgestellt, ist die Sammlung nun in der Lausitz zu sehen. Denn die Wurzeln der Familie Dohna liegen im Grenzgebiet von Brandenburg und Sachsen.

Und auch die Ausstellung in Doberlug beginnt mit der Geschichte des Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen. In einer kompletten Etage des Schlosses nehmen die Kuratoren die Besucher mit in das Leben und die Erinnerungskultur einer adligen Familie, die über viele Jahrhunderte an den Höfen Europas verkehrte.

Die einzigartige ostpreußische Adelssammlung Dohna-Schlobitten wird bis mindestens 2030 als Leihgabe der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) und der Bundesrepublik Deutschland im Museum Schloss Doberlug zu sehen sein.

© dpa/Patrick Pleul

Einer der Höhepunkte: Eine festlich gedeckte Tafel mit einem KPM-Porzellan-Service, das der preußische König Friedrich Wilhelm II. der Familie schenkte. „Dasselbe Service kaufte der König auch für Charlottenburg, und auch in der Eremitage in St. Petersburg war es in Gebrauch“, sagt Weber. „Charlottenburg, St. Petersburg, Schlobitten – das sagt etwas über die damalige Stellung der Familie aus.“ Daneben gibt es prunkvolles Familiensilber, historische Gemälde, aber auch Alltagsgegenstände zu entdecken.

Die Heiratspolitik des Adels ist ebenso Thema der Ausstellung wie der Dienst an den Höfen oder im Militär. Doch der Museumsdirektorin ist es wichtig, keine Adelsromantik zu verbreiten. Mit kleinen Silhouetten wird in den Ausstellungsräumen an die erinnert, von denen sich in der Familiensammlung keine Spuren finden: Bauern und Dienstleute, ohne die das adlige Leben nicht möglich gewesen wäre, die aber zum Wohlstand der Familie beitrugen.

Eine goldene Taschenuhr von 1910 des Fürsten Alexander zu Dohna-Schlobitten (1899-1997) ist in der Ausstellung zur Sammlung Dohna-Schlobitten im Schloss Doberlug zu sehen.

© dpa/Patrick Pleul

„Ein kurzer Blick auf die Familie Dohna-Schlobitten zeigt: Ihre Geschichte ist eng mit der Geschichte Deutschlands verwoben“, sagt Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD), die am Donnerstag zu einer Vorabbesichtigung der Ausstellung nach Doberlug kam. „Das macht sie so spannend: Sie ermöglicht nicht nur Einblicke in eine untergegangene Welt, sie ermöglicht die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte.“

Mit der Präsentation der Ausstellung in Doberlug könne man „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Die Sammlung Dohna-Schlobitten werde erstmals in ihrer Gesamtheit öffentlich gezeigt. Und das Museum Schloss Doberlug könne sich als wichtiges kulturelles Zentrum der Stadt mit überregionaler Ausstrahlungskraft weiterentwickeln. Und auch der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Christoph Martin Vogtherr, freute sich am Donnerstag über die Ausstellung: „Bisher war unsere Stiftung im Süden des Landes noch nicht vertreten“, sagte Vogtherr. „Nun werden den Besuchern von Schloss Doberlug Vergangenheit und Bedeutung der ostmitteleuropäischen Adelskultur in moderner Weise vermittelt.“

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