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Bürgermeisterwahl: Potsdams Stasi-Kandidat bringt Linke unter Druck

Der Landtagsabgeordnete Scharfenberg will trotz wachsender Kritik weiterhin Oberbürgermeister der Landeshauptstadt werden.

Potsdam – Ungeachtet der neuen Debatte um seine frühere Spitzeltätigkeit für die DDR-Staatssicherheit will der Linke Hans-Jürgen Scharfenberg weiterhin Oberbürgermeister in Potsdam werden. „Ich stehe zur Verfügung. Die Entscheidung liegt bei der Partei“, sagte Scharfenberg. Am Dienstag verteidigte der Landtagsabgeordnete seine geplante Kandidatur, mit der die wegen Stasi-Verstrickungen von Linken unter Druck geratene rot-rote Koalition im Land erneut in Schwierigkeiten kommt. Bei der Regierungsbildung galt der Grundsatz, dass frühere IMs keine Staatsämter bekleiden. Für den Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), aber auch für Grünen-Landtagsfraktionschef Axel Vogel, gilt das ebenso wie für das OB-Amt einer Landeshauptstadt. Scharfenberg selbst widersprach dem: „Der Unterschied ist: Der Bürger trifft direkt die Entscheidung, wer Oberbürgermeister wird. Das ist anders als bei einer Regierungsbildung.“

Der heute 55-Jährige, seit 1990 der starke Mann der PDS in Potsdam, hatte zunächst als IM-Kandidat „Johnson“ und später als IM „Hans-Jürgen“ von 1978 bis 1985 an der damaligen Akademie für Staat und Recht in Potsdam, einer SED-Kaderschmiede, Kollegen und Vorgesetzte bespitzelt. Er berichtete über Charaktereigenschaften und private Lebensumstände von Studenten und Wissenschaftlern. Einen Kollegen etwa vermutete er in Geldschwierigkeiten, weil die Ehefrau „die ebenfalls gut verdient, nicht im erforderlichen Maße mit Geld umgehen kann“. Einem angehenden Doktoranden attestierte IM „Hans-Jürgen“ ein oberflächliches Auftreten und „leichte egoistische Züge“. Er brauche „Kontrolle!“ Scharfenbergs IM-Tätigkeit endete 1985, als er stellvertretender Parteisekretär der Akademie wurde. Allerdings steht im Stasi-Abschlussvermerk auch: „Eine direkte Arbeit an Personen konnte mit dem IMS nicht erreicht werden. Hier gab es bei ihm zu viele Vorbehalte, die ursächlich im Charakterbild ... zu suchen sind.“ 

„Ich will nichts beschönigen. Ich will nichts verteidigen“, sagte Scharfenberg gestern. „Ich habe mich kritisch diesem Teil meiner Vergangenheit gestellt.“ Er verwies darauf, dass die Kommission bei der Überprüfung der Potsdamer Stadtverordneten in den 90er Jahren keine Empfehlung zur Mandatsniederlegung ausgesprochen hatte. Er habe sich bereits vorher der Öffentlichkeit gestellt, teilweise auf Veranstaltungen. „Das war vor 15 Jahren. Ich bin seitdem öffentlich damit umgegangen.“ Allerdings defensiv. So hat er bisher keine Einzelheiten öffentlich gemacht, auch nicht auf seiner Homepage – anders als etwa Landtagsfraktionschefin Kerstin Kaiser. „Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich das im weiteren Vorgehen verändern werde“.

Die geplante Kandidatur Scharfenbergs bleibt ein Politikum. „Das schadet dem Image von Potsdam als Landeshauptstadt“, sagte CDU-Chefin Johanna Wanka. Es sei schon verblüffend, dass die Debatte der letzten Monate ohne Wirkung bei den Linken geblieben sei. „Jeder dieser Fälle, ob Scharfenberg, ob ein linker Landratskandidat oder ein SPD-Stadtverordneter in der Stadt Brandenburg, schadet dem Land“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Im Herbst habe es der Potsdamer Wähler in der Hand, Scharfenberg nicht zu wählen. Für Grünen-Landtagsfraktionschef Vogel wirft es ein bezeichnendes Licht auf die Linke, dass „sie nicht in der Lage ist, auf neue, unbelastete Kräfte zu setzen.“ Er prophezeite, dass die Linke mit Scharfenberg keinen Erfolg haben werde. Indizien dafür seien das schlechte Abschneiden der Linken bei den jüngsten Landratswahlen und besonders das dünne Ergebnis des Linke-Kandidaten und früheren IM Diethelm Pagel im Kreis Spree-Neiße. „Es scheint einen Bewusstseinswandel zu geben, der bis in die linke Wählerschaft hineinreicht“, so Vogel.

Die SPD hielt sich mit Angriffen auf Scharfenberg zurück. Sie hat mit der IM-Tätigkeit des SPD-Verordneten Dirk Stieger in der Stadt Brandenburg selbst ein Problem, da Stieger und der SPD-Unterbezirk trotz Drucks aus dem Landesvorstand keinen Grund für Konsequenzen sehen. SPD-Landtagsfraktionschef Dietmar Woidke sagte: „Ich hätte erwartet, dass Herr Stiegler Konsequenzen zieht.“

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