zum Hauptinhalt

Nach Totalausfall: S-Bahn bezahlt die Taxi-Rechnungen

Das Unternehmen will seinen Kunden die Taxi-Kosten erstatten und zukünftig nur noch nachts das System prüfen. Das Gespräch zwischen dem neuen Verkehrssenator und Bahnchef blieb aber ohne Ergebnis.

Von

Ein nach dem Zusammenbruch des S-Bahn-Systems am Donnerstagabend geführtes Gespräch des neuen Verkehrssenators Michael Müller (SPD) mit Bahnchef Rüdiger Grube, bei dem es um den Kauf der S-Bahn durch das Land ging, hat nach Tagesspiegel-Informationen zu keinem Ergebnis geführt. An der Haltung Grubes, die S-Bahn nicht abzugeben, habe sich nichts geändert, sagte ein Sprecher. Das Gespräch war schon vor dem jüngsten Chaos vereinbart worden. Wenn sich der Senat und die S-Bahn nicht über die Zukunft der S-Bahn einigen, soll der Betrieb zumindest auf einem Teilnetz ausgeschrieben werden.

Den Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) jedenfalls scheint die bislang größte -S-Bahn-Panne nicht in besondere Aufregung zu versetzen. „So etwas kann, glaube ich, immer mal vorkommen und hat nichts mit dem Winter zu tun“, sagte er am Freitag im Radiosender 104.6 RTL – und löste damit prompt Empörung aus. Das sei ein „typischer Wowereit“, konterte der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar. Der Regierende nehme die Probleme der Bürger nicht ernst. „Und als Dienstwagenbesitzer weiß er wohl nicht, wie es ist, wenn die S-Bahn nicht fährt“. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, wie Wowereit im Februar 2010 das Schneechaos mit der Bemerkung kommentierte: „Wir sind hier nicht in Haiti, sondern wir sind in Berlin.“ Ein völlig falscher Eindruck, der da entstanden sei, wies Senatssprecher Richard Meng den Vorwurf der Grünen zurück. Den vom Radiosender zitierten Satz müsse man im richtigen Zusammenhang sehen. Selbstverständlich sei auch Wowereit der Meinung, „dass es nicht wahr sein kann, dass sich die S-Bahn durch einen technischen Test komplett selbst lahm legt“. Das hätte nicht passieren dürfen. Die entscheidende Herausforderung sei aber, und darauf komme es Wowereit an, die S-Bahn für die kommenden Wochen tatsächlich winterfest zu machen. Diese Erwartung verbinde Wowereit mit einem herzlichen Dank an die landeseigene BVG, die am Donnerstag so schnell und erfolgreich eingesprungen sei.

Der Verkehrsexperte der Linken, Harald Wolf, wollte Wowereit wegen seines missverständlichen Satzes nicht angreifen, warnte aber davor, den Zusammenbruch der gesamten S-Bahn zu relativieren. „So eine Mega-Panne darf nicht vorkommen.“ Das extrem komplexe System der öffentlichen Infrastruktur müsse mehrfach abgesichert oder dezentral geregelt werden. „Auch sicherheitspolitisch ist das ein ernsthaftes Thema“, sagte Wolf dem Tagesspiegel. Jetzt wisse jeder, wie der S-Bahn-Verkehr mit einfachen Mitteln auszuhebeln sei. Darüber müsse der Senat mit der Bahn intensiv diskutieren.

Der SPD-Verkehrspolitiker Ole Kreins versicherte, dass eine funktionierende S-Bahn „höchste Priorität“ habe. Der Koalitionspartner CDU hatte Freitag mit den parteiinternen Problemen genug zu tun und äußerte sich nicht.

Die Bahn hat erste Konsequenzen gezogen. Kontrollen, die am Donnerstag gegen 11.45 Uhr zum Ausfall der Stromversorgung im elektronischen Stellwerk der Betriebszentrale in Halensee geführt hatten, sollen nur noch nachts erfolgen, kündigte ein Sprecher an. Ganz ohne Risiko sei dieses Verfahren aber auch nicht, weil bei einer Panne dann der morgendliche Berufsverkehr betroffen wäre. In der Betriebszentrale, von der aus ein Großteil der Signale und Weichen gesteuert sowie die Fahrten der Züge überwacht werden, sollte, wie berichtet, das Notstromsystem überprüft werden – wie regelmäßig alle zwei Monate. Dabei wird die Anlage vom öffentlichen Netz getrennt, eine Batterie übernimmt die Versorgung, bis ein Dieselmotor anspringt und Energie erzeugen kann. Beim Dieselgenerator sei ein sogenannter Wechselrichter ausgefallen; ein zweiter – als Rückfallebene vorgesehener – habe nicht funktioniert, erklärte der Sprecher. Warum, müsse nun untersucht werden.

Dabei soll auch geklärt werden, ob die Rückfallebene ausreichend dimensioniert ist. Durch den Stromausfall, den es wegen des installierten Notstromsystems theoretisch nicht geben dürfte wurden die Computer im Stellwerk lahm gelegt. Bis diese hochkomplexen Anlagen eines elektronischen Stellwerks wiederhochgefahren sind, vergehen Stunden. Rund drei waren es am Donnerstag. Geprüft werde auch, ob das Informationssystem geändert werden müsse, sagte der Sprecher weiter.

Durch den Stromausfall waren auch meist die Lautsprecheranlagen auf den Bahnhöfen sowie die interne Kommunikation mit den Aufsichten und Fahrern unmöglich geworden. Weil auch die dafür erforderlichen Anlagen aus der Betriebszentrale gesteuert werden. Mitarbeiter der S-Bahn sowie Fahrgäste blieben deshalb lange ohne Informationen. Fahrer verständigten sich per Handy mit der Zentrale. Zwischen 11.45 Uhr und 15 Uhr waren nach Angaben des Sprechers 116 Züge ausgefallen, bei weiteren 14 sei es zu Teilausfällen gekommen. Rund 15 Züge seien auf freier Strecke stecken geblieben; fünf davon seinen geräumt worden, was nur in Anwesenheit der Bundespolizei erlaubt sei. Fahrer dürften das Räumen nur bei Gefahr anordnen. Und gute Nachrichten gibt es auch: Wer aufs Taxi umgestiegen ist, kann sich den Preis – nach einer Einzelfallprüfung – von der S-Bahn im Kundenbüro im Ostbahnhof erstatten lassen. Und am Freitag funktionierte sogar der Betrieb fast wieder nach Plan.

Kundentelefon der S-Bahn: 030 - 297 43333

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false