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Brandenburg: Später Seitenwechsel

Der Wittstocker Bürgermeister will das Bombodrom nicht mehr

Der Wittstocker Bürgermeister will das Bombodrom nicht mehr Von Claus-Dieter Steyer Wittstock. Viele Freunde hatte das geplante „Bombodrom“ im Brandenburger Nordwesten noch nie. Aber jetzt hat sogar sein bekanntester Verfechter in der Umgebung die Meinung geändert: Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) glaubt nicht mehr an den Bau einer Garnison in seiner Stadt. Doch davon machte er bislang sein Votum für einen Bombenabwurfplatz in der nahe der Stadt gelegenen Kyritz-Ruppiner Heide abhängig. Er hoffte auf mindestens 150 zivile Arbeitsplätze und viele Aufträge für die örtliche Wirtschaft dank der Stationierung von 800 Soldaten und Offizieren. Eine so große Garnison hatte die Bundeswehr der Stadt bislang im Gegenzug für die Belastungen durch Tiefflieger versprochen. In Wittstock sucht jeder Fünfte einen Job. Aber angesichts des von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) kürzlich verkündeten Sparkurses sieht Scheidemann kaum noch Chancen für eine neue Garnison in Wittstock. „Den von mir befürworteten Übungsbetrieb habe ich stets zuerst von der Garnison abhängig gemacht“, sagt der Bürgermeister. „Ich glaube nun nicht mehr, dass es der Bundeswehr damit Ernst ist.“ Wenn die Armee wie angekündigt 100 Garnisonen schließe, werde sie kaum ausgerechnet in Wittstock eine neue Anlage bauen, vermutet der FDP-Politiker. Er verhehlt seine Enttäuschung nicht.Vor einigen Jahren hatte die Bundeswehr Wittstock sogar eine 1600 Mann starke Garnison versprochen. Zahlreiche Offiziere und Berufssoldaten hätten in seit langem leer stehende Wohnungen einziehen sollen. So aber kommt die Stadt wohl nicht um den Abriss von weiteren Wohnblocks herum. Außerdem hatte die Stadtverwaltung mit 400 zivilen Jobs bei der Munitionssuche auf dem Übungsplatz gerechnet. Weite Teile des 144 Quadratkilometer großen Gebietes sind nach wie vor abgesperrt, da überall noch Blindgänger der russischen Streitkräfte vermutet werden. Anfang der fünfziger Jahre hatte die Armee die Kyritz-Ruppiner Heide als so genanntes Bombodrom beschlagnahmt. Das Gelände diente Jagdfliegern und Panzertruppen als Übungsfeld. Nach dem Abzug der Roten Armee 1992 wurde die Durchgangsstraße zwischen Wittstock und Rheinsberg wieder geöffnet. Das Bundesverteidigungsministerium hält sich mit konkreten Angaben über seine Pläne zurück. Erst im Laufe des Jahres werde entschieden, welche Standorte aufgegeben werden, heißt es. Minister Struck hatte Mitte Januar Einsparungen von bis zu 26 Milliarden Euro angekündigt. Doch trotz Scheidemanns Sinneswandel bricht bei den für eine touristische Nutzung des Übungsplatzes kämpfenden Bürgerinitiativen noch kein Jubel aus. Sowohl die Brandenburger Gruppen „Freie Heide“ und „Pro Heide“ als auch ihr Pendant „Freier Himmel“ in Mecklenburg-Vorpommern verweisen auf die bisherige Argumentation der Bundeswehr, gerade aus Spargründen nicht auf das Wittstocker Gelände verzichten zu können. Denn das riesige Areal erlaube alle denkbaren Einsatzübungen der Tiefflieger, heißt es. Tatsächlich sind die beiden anderen Übungsgebiete im niedersächsischen Nordhorn und im bayerischen Siegenburg viel zu klein, so dass die Piloten regelmäßig auf Nevada, Kanada und Sardinien ausweichen müssen. Schon deshalb will Struck ungern auf Wittstock verzichten. Ohne das Versprechen einer Garnison dürfte ihm aber der Kampf um Zustimmung für seine Pläne noch schwerer fallen. Das letzte Wort zur Zukunft des Übungsplatzes hat ohnehin die Justiz: Das Potsdamer Verwaltungsgericht will noch in diesem Jahr ein endgültiges Urteil über die Klagen von mehreren Gemeinden gegen das Bombodrom sprechen.

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