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Besucher auf Entdeckungsreise im Beeskower Depot

© Museum Utopie und Alltag / Kevin Fuchs

Zeitreise in die DDR im Kunstarchiv Beeskow: Wie politisch sind freundliche Elefanten? 

Einmal im Monat bietet das Kunstarchiv Beeskow Führungen an – dort hängen Werke von Willi Sitte und Bärbel Bohley friedlich nebeneinander in Schiebegittern.

Fühlt sich ein bisschen an wie ein exklusiver Club – das Gebäude liegt versteckt, keine Klingel. Als wir klopfen, öffnet sich die Tür und wird hinter uns sofort wieder geschlossen. Keine Fotos, nichts anfassen! Wir sind im Kunstarchiv in Beeskow. In der brandenburgischen Kleinstadt wird – in einer ehemaligen Sporthalle hinter der Burg – bildende Kunst der DDR aufbewahrt. Einmal im Monat gibt es sonntags Führungen.

Sortiert sind die Bilder - Gemälde, Grafik, Zeichnungen – in Schieberahmen, schlicht nach Alphabet. Auch der heutige Malerstar Neo Rauch, vertreten mit der XXL-Arbeit „Die Kreuzung“, kriegt keine Ausnahme.

Sogar ein paar abstrakte Werke sind dabei - und ein Neo Rauch

Das führt zu spannenden (Zwangs-)Familien: Auf dem Rahmen, den Sabrina Kotzian für unsere kleine Gruppe herauszieht, geht es links oben mit einer naiven Tierszene los: freundliche Elefanten, Zebras und Kinder; 1980 für ein Berliner Kinderheim entstanden. Rechts unten dann ein Fleischer, gemalt 1988 von Bärbel Bohley (ja, die). Gekrümmt schleppt er an einer blutigen Schweineschulter.  Und daneben „Porträt Jutta Birkholz“, eine Arbeiterin mit Kittelschürze vor Maschine. Sie hängt leicht gequetscht am Rand, Sabrina Kotzian sagt, sie tue ihr deswegen immer ein bisschen leid. Aber 23.000 Objekte wollen nun mal untergebracht sein, neben den Bildern auch noch Plastiken und etwas Fotografie.

Die Frage war: Ist das Kunst oder kann das weg?

Kunsthistorikerin Sabrina Kotzian

Präsentation wie Führung sind herrlich undogmatisch. Keine kleine Leistung bei einem so umkämpften Thema – Kunstwerke aus dem Besitz der Massenorganisationen (FDGB, FDJ, SED etc. ) oder des Kulturfonds. Staatlich geprüft und abgestempelt, also. Kotzian fasst die Situation nach dem Mauerfall trocken zusammen. „Die Frage war: Ist das Kunst oder kann das weg?“ In Beeskow lagern heute die Bestände von Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Sie hingen in Erholungsheimen, Schulungszentren und Speisesälen.

Regelmäßig werden Arbeiten für Ausstellungen ausgeliehen; wer öfter mal in Schloss Biesdorf oder in Eisenhüttenstadt im Museum Utopie und Alltag ist, wird auf alte Bekannte treffen.

Über die Werke ist mal mehr, mal weniger bekannt. Die Kunsthistorikerin Sabrina Kotzian hat parat, was die Quellenlage hergibt. Ordnet zeitlich ein, tippt biographische Hintergründe an. Da gibt es Leute wie Willi Sitte, Maler – und Langzeit-Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Sein monumentales Wandbild „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ (1978/79) hing im Treppenhaus der SED-Parteihochschule in Berlin. Aber auch Norbert Wagenbrett, dessen gemalte junge Pärchen derart trotzig gucken, dass man sich wundert, wie er in den 80ern Sittes Meisterschüler werden konnte.

Viele Geheimnisse bleiben offen. Warum hat der Kulturfonds der DDR ein abstraktes Bild angekauft? Wer hat das damals entschieden? 1989/90 wurden hektisch Büros geräumt, Kunst abgehängt, viele Spuren verlieren sich.

Für Besucher macht es das gerade spannend – anders als bei sorgfältig kuratierten Ausstellungen fühlt man sich im Depot aufregend nah dran. An den Bildern wie den vielen verwirrenden Untiefen der deutsch-deutschen Geschichte. Eine anregende Zeitreise am Sonntagvormittag.

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