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Landeshauptstadt: Babelsberger TV-Duell

Jubel bei Junger Union über souveräne „Angie“ / Gedämpfte Stimmung bei den Sozialdemokraten

Jubel bei Junger Union über souveräne „Angie“ / Gedämpfte Stimmung bei den Sozialdemokraten Von Patrick Steller und Kay Grimmer Babelsberg - Keine hundert Meter sind CDU und SPD am Sonntagabend voneinander entfernt. Beide Potsdamer Parteiverbände hatten sich die Babelsberger Rudolf-Breitscheid-Straße als Treff ausgeguckt, um das TV-Duell zu sehen. Während die Direktkandidatin Katherina Reiche (CDU) mit ihren Anhängern im Café Zeitlos dem TV-Ereignis beiwohnte, traf sich ihre Kontrahentin Andrea Wicklein (SPD) mit Genossen und Sympathisanten im Foyer des Thalia-Kinos. * * * Angela Merkel wäre auch schon drei Jahre früher die bessere Wahl gewesen, ist sich Hans-Wilhelm Dünn, der Kreisvorsitzende der Jungen Union in Potsdam, sicher. Etwa 30 junge und nicht mehr ganz so junge Unionsanhänger haben sich im Cafè „Zeitlos“ versammelt, um gemeinsam das einzige Fernsehduell von Angela Merkel und Bundeskanzler Gerhard Schröder zu sehen. Auch Wieland Niekisch, der Potsdamer CDU-Kreisvorsitzende, und die Direktkandidatin Katherina Reiche mischen sich unter die Schaulustigen. Minuten vor dem Showdown ist Hans-Wilhelm Dünn ganz entspannt. Er erwarte freilich, dass „Herr Schröder versuchen wird, eher den Spaßfaktor rüberzubringen“ und dass Frau Merkel mit Inhalten gegenhalten werde. „Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass sie die emotionale, soziale Komponente mit einbringt“, ergänzt er. Wie auch Katherina Reiche empfindet er es positiv, dass die Kandidaten erstmals auch miteinander diskutieren könnten. „Wenn einer der beiden ausweichen will, dann kann der andere eingreifen“, sagt Dünn, „und so wird sich schneller herauskristallisieren, wer die Wahrheit sagt und wer nicht.“ Während des knapp 90 Minuten dauernden Duells geht es dann eher ruhig zu. Mit verschränkten Armen schauen sich die Merkel-Anhänger das Geschehen an. Hier und da ein bisschen Getuschel und spöttisches Gelächter, als Kanzler Schröder beispielsweise die Ich-AGs als „Förderung der Selbstständigkeit“ preist. Nach einer Stunde dann fällt die Anspannung und jedes pointierte Ende eines Merkel-Statements wird konsequent beklatscht und bejubelt. Als das Duell beendet ist und sich Kanzler Schröder und Herausforderin Merkel im Fernsehen die Hand geben, springen zwei junge Burschen auf und wedeln mit den orangefarbenen „Angie“-Plakaten, die das Duell in der Ecke stehend fristen mussten. Freilich gab es im Cafè Zeitlos am Sonntag nur eine Siegerin: Angela Merkel. Die ersten Umfragen nach dem Duell werden leicht verstimmt hingenommen, als Merkel bei der Arbeits- und Wirtschaftspolitik besser als Schröder dasteht, gibt es großen Applaus. „Die Umfragen zeigen, dass es gut ist, dass es nur ein großes Duell gibt“, sagt Katherina Reiche. Es komme nicht darauf an, wer sympathischer rüberkommt, sondern wem zugetraut werde, Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen. „Und darüber müssen wir vor Ort reden“, denn die Wechselstimmung sei stabil, ergänzt sie und gibt den Startschuss für die letzten zwei Wochen Wahlkampf. Einen klaren Sieg Angela Merkels hat auch Hans-Wilhelm Dünn gesehen. „Sie hat sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“, sagt er. Merkel wäre sehr bissig und angriffslustig gewesen und hätte Schröder in empfindlichen Punkten, etwa bei der Arbeitsmarktpolitik getroffen. „Man hat gesehen, dass Schröder in eine ganz neue Situation gedrückt wurde und anstatt einem Eisblock wie Edmund Stoiber, einer sehr souveränen Frau Merkel gegenüberstand“, sagt Dünn. Bis zum Wahltag geht es weiter munter auf die Straße, ohne freien Tag. Der große Vorsprung in den Umfragen gibt Sicherheit, man müsse jetzt nur schauen, dass die eigenen Leute auch zur Wahl gehen und nicht denken, „wir gewinnen doch sowieso“. Das sei die einzige Gefahr, meint Dünn. * * * Naja! Das erste Wort der Einschätzung von Potsdams SPD-Direktkandidatin Andrea Wicklein nach dem sonntäglichen TV-Duell beschrieb damit ziemlich gut die Stimmung der Potsdamer Sozialdemokraten an diesem Abend. Wie beim ersten deutschen TV-Duell vor drei Jahren fanden sich die Potsdamer Genossen heuer wieder im Foyer des Thalia-Kinos ein, um den Schlagabtausch zwischen Kanzler Schröder und Herausforderin Merkel zu sehen. Doch nur der Ort war der gleiche. Der starke sozialdemokratische Siegeswillen, der vor drei Jahren dominierte, war einer gedämpften Stimmung an diesem Abend gewichen. 20.30 Uhr: Es herrscht gespannte Erwartung. Andrea Wicklein sitzt inmitten der zahlreich erschienenen Besucher, SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert ist ebenfalls vor Ort. Lange dauert es, bis der erste Beifall für „ihren“ Kanzler erschallt. Geschlagene sechs Minuten benötigt Schröder, ehe seine Potsdamer Anhänger erstmals applaudieren. Und selbst dann nur vereinzelt! Geballte Zuversicht klingt anders. Der bundesweit uneinholbar wirkende Vorsprung der CDU scheint selbst die laut Umfragen noch gut dastehenden Potsdamer Sozialdemokraten zu lähmen. Dabei versuchte Kanzler Gerhard Schröder durchaus für gute Laune unter seinen Anhängern zu sorgen. Doch selbst bei eindeutigen Aussagen wie der absoluten Verneinung einer Mehrwertsteuererhöhung wird nur vereinzelt geklatscht. Dafür ist die Auseinandersetzung mit der Gegnerin emotionsbeladener. Immer wieder brandet Heiterkeit über Angela Merkels Mienenspiel auf. Noch größeres Gelächter kommt jedoch bei Schröders Spitzfindigkeiten auf. Sein Hinweis bei der Verteilung der Mehrwertsteuer-Einnahmen zwischen Bund und Ländern an Angela Merkel: „Viel Spaß mit Herrn Stoiber, wenn“s ums Geld geht“ sorgt für ein erstes befreiendes Lachen bei der SPD-Schar. Ein wenig spöttisch hingegen das laute „Oooh“, als er via Kamera seiner Frau eine Liebeserklärung macht. Doch eine gelöste Stimmung will bei den Sozialdemokraten in den anderthalb Stunden nicht aufkommen. Es bleibt ruhig, konzentriert schauen die Gäste im Thalia-Foyer auf die große Leinwand. Zu überraschend scheint die Souveränität der CDU-Herausforderin. Auch wenn SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert nach dem Duell sagt: „Ich habe durchaus erwartet, dass sie so gut ist, nachdem ich sie bereits in Potsdam erlebt habe.“ Andrea Wicklein ist ärgerlich. Nicht über ihren Kanzler, „der war gut, etwas anderes habe ich auch gar nicht erwartet.“ Die gestellten Fragen treiben ihr Zornesfalten auf die Stirn: „Wo waren die Themen Gesundheits- und Arbeitsmarktreform?“, fragte sie. Hier wären die eindeutigen Unterschiede zwischen CDU und SPD auszumachen gewesen. „Dafür hat man sich mit zuviel Nebensächlichem aufgehalten. Mussten sie die Benzinpreise so lange thematisieren?“ Auch Schubert kritisiert die Gewichtung: „Ein bisschen viel Kirchhoff“, bemängelt er. Euphorie durfte sicher nicht erwartet werden, doch Wahlkampflust sieht anders aus. Bedächtig geht das Gros der Besucher ins benachbarte Café, leise wird über das Gesehene debattiert. Die Adhoc-Einschätzung der Umfrage-Institute direkt nach der Sendung bekommen nur noch die wenigsten mit. Schröder punktet auf fast allen Gebieten. Glückliche Gesichter sind kaum auszumachen.

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