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Landeshauptstadt: „Das kostet Zeit und Geld“

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu den Sonntagsöffnungen sind Handels- und Wirtschaftsvertreter verärgert

Stefan Frerichs ließ seiner Enttäuschung freien Lauf. Einkaufen sei heute ein familienorientiertes Freizeitvergnügen, sagte der Chef der Potsdamer Wirtschaftsförderung am Mittwoch vor Journalisten. „Und dieses Vergnügen wird den Leuten nun am Sonntag versagt.“ Gerade hatten er und andere Stadtvertreter im Stadthaus vor Journalisten die Nachricht erklären müssen, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg einen Großteil der geplanten verkaufsoffenen Sonntage für Potsdam verboten oder räumlich deutlich begrenzt hatte. Geklagt hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Insofern geriet die Gewerkschaft am Mittwoch auch in den Fokus der Kritik. Frerichs warf Verdi vor, gegen eine prosperierende Stadtentwicklung zu agieren. Sonntagsöffnungen seien wichtige Instrumente für die Attraktivität der Innenstädte, damit die dort ansässigen Händler – angesichts der Konkurrenz durch den Onlinehandel – im Wettbewerb bestehen könnten. „Und wir reden hier bei den maßgeblich betroffenen Läden von inhabergeführten Geschäften, die persönlich entscheiden, ob sie arbeiten wollen oder nicht.“ So sieht es auch Manfred Gerdes, Chef der Händlervereinigung AG Innenstadt. „Und ausländische Touristen in Potsdam verstehen nicht, wenn am Sonntag alle Läden in der Innenstadt geschlossen sind – in anderen Ländern gibt es das nicht.“ Die Klage von Verdi sei auch nicht im Sinn jener Mitarbeiter, die Zuschläge für Sonntagsarbeit gern verdienen und dafür unter der Woche frei nehmen könnten.

Das Gericht hatte unter anderem den stadtweiten verkaufsoffenen Sonntag am 2. Juli – zum Stadtwerkefest – gekippt. Denn die Gesetzeslage im Ladenschlussgesetz ist klar: Sonntag ist eigentlich Ruhetag – nur bei besonderen Veranstaltungen, die Leute auf die Straße treiben, sollen angrenzende Händler die Möglichkeit haben, den Zustrom der Besucher geschäftlich zu nutzen. Doch das Stadtwerkefest findet zum Beispiel am Lustgarten statt – nicht aber im Stern-Center, das eigentlich auch am 2. Juli hätte öffnen dürfen.

Doch daraus wird jetzt nichts. Für Jana Strohbach ist das ärgerlich. Die Managerin der Bahnhofspassagen sagte, die Geschäfte hätten bereits Werbung vorbereitet und Angestellte entsprechend eingetaktet. Das müsste nun alles zurückdreht werden. „Das kostet Zeit und Geld.“ Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, Beate Fernengel, sprach von einer „Enttäuschung – und das ist noch milde ausgedrückt.“ Das Verbot mehrerer verkaufsoffenen Sonntage, etwa zum Stadtwerkefest mit tausenden Touristen, werde die Attraktivität der Stadt gerade auch im Wettbewerb mit Berlin schmälern, sagte Fernengel.

Frerichs griff die Gewerkschaft auch direkt an. Diese hätte eher klagen müssen, dann hätten Stadt und Händler schneller Rechtssicherheit besessen. Verdi hatte im Mai geklagt, die konkreten Öffnungstermine standen aber schon Monate vorher fest. Die Gewerkschaft wies den Vorwurf zurück. „Wir hatten die Stadt Potsdam im Vorfeld sehr deutlich auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen – das wurde von der Stadt ignoriert“, sagte die Verdi-Handelsexpertin Erika Ritter. Insofern sei die Feststellung des Gerichts, dass die von Potsdam festgelegten Sonntagsöffnungen zum Großteil verfassungswidrig seien, auch „eine Blamage für die Stadt“. Diese trage dafür die alleinige Verantwortung, sagte Ritter: „Man hätte doch einfach eine neue rechtkonforme Regelung erlassen können.“ Zudem erinnerte sie daran, dass Verdi nicht darauf bestanden habe, bereits die stadtweite Sonntagsöffnung zur Antikmeile am 28. Mai prüfen zu lassen. Auch die war nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig. So eine Meile könnte einen Sonntagsverkauf – „wenn überhaupt“ – nur in einem engen räumlichen Umfeld rechtfertigen, so das OVG.

Die Entscheidung des Gerichts ist zunächst im Eilverfahren getroffen, ein detailliertes Verfahren folgt noch. Allerdings versucht die Stadt nun mit einer neuen Verordnung zumindest die beiden verkaufsoffenen Sonntage in der Adventszeit und nur einen auf die Innenstadt begrenzten verkaufsoffenen Sonntag zur Antikmeile am 1. Oktober durchzusetzen. Auch dieser war bisher stadtweit geplant. Offen ist, ob die Stadt mit der neuen Verordnung und weiteren Argumenten versucht, auch den verkaufsoffenen Sonntag aus Anlass der Schlössernacht zumindest in der Innenstadt zu retten. Auch den hatte das OVG gekippt – weil diese Veranstaltung bereits in der Samstagnacht ende und in ihrer räumlichen Ausstrahlungswirkung nur auf das Zentrum beschränkt sei.

Für das kommende Jahr müsse nun neu nachgedacht werden, machte Wirtschaftsförderer Frerichs indes deutlich: Denkbar seien etwa das Weber- oder das Tulpenfest in Babelsberg und im holländischen Viertel für begrenzte verkaufsoffene Sonntage. Für eine dritte stadtweite Sonntagsöffnung neben den Adventssonntagen erwäge man das neue Potsdamer Lichterfest im November 2018.

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