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Landeshauptstadt: Die Traumhäuslebauer

Die denkmalgeschützte Villa Adlon in Neu Fahrland fand vor Jahren neue Besitzer, die es nun liebevoll restaurieren. Der RBB hat den langwierigen Prozess ein Jahr lang für die TV-Serie „Mein Traumhaus mit Geschichte“ begleitet. Heute wird der erste Teil gezeigt

Manches ist für Mathilda Huss noch immer aufregend. Dann vergisst die neue Hausherrin der Villa Adlon schon mal die Schließkarte für das mannshohe schmiedeeiserne Tor und ist plötzlich gemeinsam mit dem Besuch ausgeschlossen. Ihr Lebenspartner Wilhelm Wilderink muss ihr dann zur Hilfe kommen und sie einlassen. Es werden einige Kilometer sein, die beide am Tag laufen, hin und her zwischen Tor und Tür, Küche und Kinderzimmer, Garage und Garten. Vor drei Jahren kaufte das Paar – sie kam aus England, er aus Hamburg – das traditionsreiche Anwesen in Neu Fahrland, DDR-Bausünden inklusive, das nun in ein Wohn- und Boardinghaus verwandelt wird. Den behutsamen Umbau der denkmalgeschützen Villa am Lehnitzsee, von 1925 bis 1945 Sommerresidenz der Hoteldynastie, die hier berühmte Gäste empfing, hat nun auch der Rundfunk Berlin Brandenburg begleitet. Am heutigen Samstagabend um 18.30 Uhr wird die erste Folge von „Mein Traumhaus mit Geschichte“ gezeigt.

Der Dreiteiler dokumentiert den Werdegang neuer, junger Hausbesitzer, die sich an besondere Objekte gewagt haben: das Landhaus Adlon, Schloss Lanke bei Wandlitz und ein kleines Fachwerkhaus in Bernau. „Wir wollen dabei Menschen vorstellen, die Visionen haben – und keine Angst vor Problemobjekten“, sagt Arne Cornelius Wasmuth. Der studierte Denkmalpfleger und Journalist betreute für den RBB das Projekt und die Dreharbeiten. „Wir wollen zeigen, dass es Spaß machen kann, so ein altes Haus mit langem Atem und Leidenschaft zu erobern – und gleichzeitig der Rolle des sensiblen Denkmalschutzes größeren Stellenwert einräumen.“

An neun Tagen über ein Jahr verteilt kam folglich ein Drehteam zur Familie Huss/Wilderink. Der Konatkt kam über das Denkmalamt der Stadt zustande, das dem RBB geeignete Objekte vorschlug. Als Denkmalpflegerin Sabine Ambrosius bei den Bauleuten anfragte, ob sie Lust hätten zu so einem TV-Projekt, mussten sie nicht lange nachdenken. Die anfängliche Aufregung und Unsicherheit, weil an solchen Tagen noch drei weitere Leute – Kameramann, Tonmann und Arne Cornelius Wasmuth – zusätzlich zu den Handwerkern im Haus umherwuselten, legte sich bald. „Sie wurden mit der Zeit richtige Kameraprofis“, erinnert sich Arne Cornelius Wasmuth. Insgesamt 50 Stunden Material wurden produziert, von den Anfängen bis hin zur Ankunft der ersten Gäste. „Die Dreharbeiten waren großartig. Das hat uns bisweilen aus dem Alltag rausgenommen und uns wiederum einen Motivationsschub gegeben“, sagt Mathilda Huss.

Die 44-jährige Wissenschaftlerin betreibt in dem Seitenflügel ein Boardinghaus für internationale Gäste aus dem Wissenschaftssektor. Die ersten Gästezimmer im Seitenflügel sind fertig, in der Gemeinschaftsküche duftet es nach frischem Kuchen. Doch die Familie selbst wohnt mit den zwei kleinen Kindern noch recht provisorisch im Haupthaus. Mathilda Huss und ihr Mann Wilhelm Wilderink, ein 44-jähriger Jurist, haben Richtlinien: Was noch erhalten ist, wird restauriert, was fehlt, wird so ergänzt, dass es sich harmonisch in das Ganze einfügt. Die originale Stuckdecke ist zum Beispiel meist noch recht ansehnlich, das Parkett aus DDR-Zeiten muss verschwinden. Die historischen Grundrisse müssen an manchen Stellen wiederhergestellt, Türen geöffnet, Wände wieder aufgebaut werden. Farb- und Materialanalysen geben Auskunft, wie einst die Wände aussahen.

Im Innenhof werden gerade alte Rippen-Heizkörper mit einem Hochdruckreiniger behandelt. „Ich finde sie sehr schön, ich will keine neuen“, sagt Mathilda Huss. Die Fenster bleiben historisch-kleinteilig, die neuen Lichtschalter sehen aus wie einst: schwarze kleine Drehknaufe. So kann man sich in den originalgetreu restaurierten Gästezimmern zurückträumen in die Zwanziger- und Dreißigerjahre.

Überwiegend Handwerker aus der Region wurden von der Familie beauftragt. Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt Potsdam sei hervorragend gewesen, sagt Mathilda Huss. Und trotzdem hatten sie Sorgen. Die Restaurierung wird am Ende wohl fast genauso viel wie der Hauskauf kosten. „Ich bin manchmal morgens aufgewacht und dachte – was tust du hier?“, sagt Wilhelm Wilderink. „Der Straßenlärm von der B 2 dröhnt herüber, der Putz bröckelt über dem Bett.“ Seine Frau sieht alles etwas entspannter. „Ich hab es noch keine Sekunde bereut. Wir sind wohl ein Stück weit Bastler“, sagt sie.

Etwa 1300 Quadratmeter groß ist die Wohnfläche, 5000 Quadratmeter das gesamte Anwesen mit großzügiger Terrasse und Garten. Der sieht noch recht verwildert aus, aber am Seeufer kann man schon gut sitzen, unter den Planken der kleinen Terrasse gluckst das Wasser. Für die Kinder haben sie eine Buddelecke eingerichtet, doch ihr Blick fällt immer wieder zum Nachbarhaus, eine asbestverseuchte Baracke aus DDR-Zeiten. Einst gehörte das Grundstück zum Adlon-Garten, historische Strukturen belegen das, auch Wasser- und Stromleitungen führen dort hindurch. Gerne hätten die Neuen das Areal gekauft, um das große Ganze wieder herzustellen, doch den Zuschlag bekam damals überraschenderweise jemand anders. Seitem tut sich nichts mit dem abrissreifen Gebäude.

Doch die Villa selbst entwickelt sich, im kommenden Frühjahr soll der Putz nach historischem Vorbild erneuert und der Seitenflügel komplett fertig werden. Auch die Nachfahren der Familie Adlon, die ihnen alte Fotos zur Recherche zur Verfügung stellten, wurden neugierig, mit der Zeit entwickelte sich eine Freundschaft zur Familie von Felix Adlon, Urenkel des Luis Adlon. Er kam sogar während der Dreharbeiten zu Besuch.

Besuch und neugierige Passanten sind Mathilda Huss und Wilhelm Wilderink bereits von Anfang an gewohnt. Dorfbewohner verfolgen, was mit dem Haus geschieht, ehemalige Patienten aus der Zeit, als das Haus eine psychiatrische Kinderklinik war, schauen vorbei. Mathilda Huss hat schon einige Geschichten erzählt bekommen.

Ob er sagen könne, wann sie fertig sein werden mit dem Projekt Restauruerung? Wilhelm Wilderink zuckt mit den Achseln. Und lächelt dann mutig: „Das ist eine Lebensaufgabe.“

Den ersten Teil der Reihe „Mein Traumhaus mit Geschichte“ sendet der RBB am heutigen Samstag um 18.30 Uhr. Teil zwei und drei am 6. und 13. September jeweils um 18.30 Uhr.

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