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Flüchtlinge in Potsdam: Ein guter Plan – mit kleiner Chance

Die Stadt Potsdam kommt bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen nicht hinterher. Ein Überblick über die aktuelle Lage.

Potsdam - Der Plan klingt gut: Anerkannte Flüchtlinge sollen in Potsdam möglichst schnell in Wohnungen einziehen können, damit sie sich in die Stadtgesellschaft integrieren können. Doch diese Vorgabe aus dem Entwurf für das neue Potsdamer Integrationskonzept kann die Stadt längst nicht umsetzen. Die in dem Konzept geforderte Vermittlung von Geflüchteten in Wohnungen nach spätestens einem Jahr könne aktuell nicht erreicht werden, räumte Stadtsprecher Jan Brunzlow jetzt auf Anfrage ein: „Flüchtlinge werden realistischer Weise länger als ein Jahr in Gemeinschaftsunterkünften leben.“ Denn seit Jahren gilt der Wohnungsmarkt in Potsdam als extrem angespannt. Die PNN geben einen Überblick über die Lage.

610 WEITERE FLÜCHTLINGE ERWARTET

Flüchtlinge in Potsdamer Wohnungen unterzubringen, dürfte künftig noch schwieriger werden, wie die Zahlen zeigen. Derzeit kommen mehr Geflüchtete nach Potsdam, als zugleich in Wohnungen vermittelt werden können. Demnach sind laut Stadtverwaltung im vergangenen Jahr insgesamt 451 Flüchtlinge in 253 Wohnungen mit eigenem Mietvertrag untergebracht worden. Zugleich kamen aber noch rund 650 Menschen nach Potsdam – und laut der aktuellen Prognose des Landes werden in diesem Jahr der Stadt noch einmal rund 610 Geflüchtete zugewiesen.

Wo sollen sie selbstständig wohnen, wie es das Integrationskonzept der Stadt fordert, damit die Eingliederung von Flüchtlingen gelingen kann? Erst mit der eigenen Wohnung könnten „prekäre Wohnverhältnisse, zu denen auch die öffentlich-rechtliche Unterbringung zählt, überwunden werden“, heißt es in dem als zeitgemäß geltenden Konzept. Bei Gerichtsverfahren in den vergangenen Monaten wegen Vergehen in den Unterkünften hatten Flüchtlinge mehrfach über schwierige Bedingungen berichtet, auch von Alkohol- und Drogenmissbrauch, was in Einzelfällen zu Gewalt unter Bewohnern führte. Dagegen würde die Unterbringung in Wohnungen zum Beispiel „soziale Kontakte zwischen Zuwandernden und Einheimischen fördern“, so das städtische Konzept.

2800 FLÜCHTLINGE AKTUELL IN POTSDAM

In den Flüchtlingsunterkünften der Stadt leben derzeit insgesamt 1323 Menschen, dies entspricht einer Auslastung von 79 Prozent. 478 Flüchtlinge hätten dabei die Berechtigung, in eine Wohnung ziehen zu können, wie Stadtsprecher Brunzlow sagte. Nach PNN-Informationen wird daher im Rathaus gerade nach neuen Lösungen gesucht, wie mit dem Problem der fehlenden Wohnungen für die Geflüchteten umgegangen werden soll. Vor diesem Hintergrund ist auch das Integrationskonzept im Stadtparlament noch nicht beschlossen worden.

Insgesamt leben in Potsdam rund 2800 Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Darunter sind mehr als 1600 Personen mit einem befristeten Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, darunter 977 anerkannte Flüchtlinge. Dazu kommen mehr als 800 Migranten, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind – und etwa 360 geduldete Ausländer, die in ihre Herkunftsländer ausreisen müssten. 2015 wurden nach Angaben der Stadt 35 Personen zurückgeführt, 2016 waren es neun. Erst diese Woche hatte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erklärt, das rasante Wachstum der Stadt sei auch den Flüchtlingen geschuldet. Eigentlich war die Stadt bisher von einem Zuzug von bis zu 2500 Personen pro Jahr ausgegangen – im vergangenen Jahr aber wuchs die Zahl der Potsdamer Einwohner um 4000 auf 171 597.

17 MILLIONEN EURO KOSTEN

Zuletzt hat die rechtspopulistische AfD in einer Anfrage an die Stadtverwaltung wissen wollen: „Wie hoch sind die Kosten für einen Asylbewerber pro Monat für die Stadt Potsdam?“ Auf PNN-Anfrage erklärte Stadtsprecher Brunzlow, grundsätzlich sei eine Aufschlüsselung der Kosten wegen diverser Berechnungsfaktoren schwer möglich. Allerdings habe die Landeshauptstadt im Jahr 2016 etwa 17 Millionen Euro für die Unterbringung Geflüchteter bezahlt. Davon erstattet das Land Brandenburg voraussichtlich 10,4 Millionen Euro. Während die Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fast zu 100 Prozent erstattet würden, muss die Stadt bei den Kosten für die Unterkunft aus dem eigenen Haushalt Geld ausgeben. Mehrfach hatte die Stadt betont, dass wegen der entstehenden Kosten keine anderen Projekte gestrichen oder verschoben werden müssten.

BERATUNG FÜR FLÜCHTLINGE

Um Geflüchteten das Ankommen in ihrer Nachbarschaft zu erleichtern, hat nun der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) einen mehrsprachigen und kostenlosen Wohnleitfaden erstellt. Unter anderem geht es um Themen wie „Nutzung der Wohnung“ oder „Müllentsorgung“. Stadtsprecher Brunzlow sagte auf Anfrage, auch die Fachhochschule Potsdam habe schon einen mehrsprachigen Wegweiser für Geflüchtete erstellt. Zudem gibt es zahlreiche Apps des Bundes und der Länder, um Hinweise und Tipps in allen Lebenslagen zu geben. „Alle Flyer und Wegweiser, die das Ankommen und Leben in der neuen Umgebung erleichtern, werden den Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften und durch Sozialarbeiter zur Verfügung gestellt – so auch der BBU-Handzettel.“

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