zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Einer sprang nach Schweden

Jubiläumstreffen des 55er Abitur-Jahrgangs in der Dortuschule: In 50 Jahren kam man 252 Mal zusammen

Jubiläumstreffen des 55er Abitur-Jahrgangs in der Dortuschule: In 50 Jahren kam man 252 Mal zusammen Von Hella Dittfeld Musterschüler Krause hat die Lacher auf seiner Seite, als er mit Feuer und Wasser hantiert und die seltsamsten Resultate bei seinen Experimenten erzielt. Und kein Pauker verlangt in Anlehnung an die Feuerzangenbowle: „Krause sätzen Sä sich!“ Denn Lehrer Helmut Stumper ist von seinem Chemieprimus genau so angetan, wie die anderen Abiturienten der Klasse 12/1 des Jahrgangs 1955. Vor Krause haben in der Aula der Dortuschule 37 „Ehemalige“ Platz genommen, einige früher Abgegangene, Ehepartner und 22 Abiturienten, die sich gestern beim Klassentreffen ihren Oberschulabschluss vor 50 Jahren mit einer Urkunde vergolden ließen. Die Übergabe gehörte ebenso zum Vier-Tage-Treffen der 55er wie die humoristische Chemie-Vorlesung von Professor Wolfgang Krause. Organisator des Treffens war Dr. Hans-Joachim Schopka, den es 2000 aus Süddeutschland wieder nach Potsdam zog wegen persönlicher Kontakte und dem gutem kulturellen Angebot in Potsdam und Berlin. Wie Zuhause fühlt sich auch Jutta Böhme, wenn sie wieder einmal von Karlsruhe nach Potsdam kommt. Sie gehört zu den Schülern, die noch vor dem Abitur die Klasse verließen, weil es die Eltern gen Westen zog. In Westberlin durfte sie in einem Sonderlehrgang für Ostabiturienten ihren Abschluss nachmachen. An der Freien Universität absolvierte sie dann ein Lehrerstudium. War 1955 eine Flucht in den Westen noch nicht spektakulär, so brachte es ein anderer 55er mit seinem Sprung von der Fähre auf schwedisches Territorium zur Bild-Zeitungsschlagzeile. Aus fast vier Metern Höhe ließ sich Eberhard Eggert, später Zahnarzt in West-Berlin, auf die Westseite des Eisernen Vorhangs fallen. Insgesamt fünf Schüler der 12. Klasse verließen die DDR, alle anderen blieben mehr oder weniger freiwillig dem Arbeiter und Bauernstaat, viele davon Potsdam, treu. Ihren Weg aber haben alle gemacht, als Lehrer, Wissenschaftler, im technischen oder musischen Bereich. Zwei errangen den Professorentitel, acht sind Doktoren. Hannelore Selke leitete nach einem Germanistik-Studium zwei Jahrzehnte die Potsdamer Volkshochschule. Ihr Mann, ebenfalls in der Abiklasse 1955, studierte Maschinenbau. Zwölf Ehen wurden von Dortuschülern untereinander geschlossen und hatten Bestand. Bei Dr. Hartwig Geschke und seiner Frau Else funkte es nicht so schnell wie bei den Selkes. Erbost stritten sich die beiden in der 9. Klasse um eine Sitzbank, Else zeigte Hartwig daraufhin die kalte Schulter, man verlor sich aus den Augen, traf sich bei ersten Klassentreffen wieder, verliebte sich und heiratete schließlich 1961. Und ist bis heute ein Paar. Beide machten die Chemie zu ihrem Beruf, arbeiteten in Schwedt, leben immer noch dort und lassen nichts auf ihre Stadt kommen. Warum sich gerade diese Abiturklasse so gern trifft – in den 50 Nachabitur-Jahren kam man 252 Mal zusammen – liegt sicher an der Rührigkeit der Abiturienten selbst, wohl aber auch an Klassenlehrer Stumper, nur neun Jahre älter als seine Schüler, der Chemie und Physik unterrichtete. Er muss seine Truppe begeistert haben, denn erstaunlich viele schlugen die Stumpersche Fachrichtung ein. Heute ist der 83-jährige noch immer gut drauf, hat Verbindung zu vielen Ehemaligen und macht seinen Söhnen die Buchführung. Erfreut über das Engagement für Schule und Stadt – die 55er spendeten bei einem vorangegangene Treffen einen Pfeiler für den Stadtkanal und wollen sich auch künftig in den städtischen Wiederaufbau einbringen – zeigte sich auch die jetzige Direktorin der Dortu-Schule Gudrun Wurzler. Eine Abiturstufe gibt es zwar nicht mehr, Wurzler betreut mit ihrem Kollegium nur noch Schüler der Grundstufe, doch gute Ideen gibt es noch immer jede Menge. Um Nachwuchs muss man sich deshalb nicht sorgen. Es wird sogar wieder dreizügig eingeschult. Die Schule legt vor allem Wert auf die musische Erziehung, spielt Theater in der Aula und der einzigartige bürgerliche Rokokosaal, einst bewohnt von Max Dortu, hat auch schon wieder Gestalt angenommen. Wände und Decke sind restauriert, statt der störenden Heizkörper soll Wand- oder Fussbodenheizung eingebaut und das Parkett dann überarbeitet werden. Und das alles nur mit Spendengeldern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false