zum Hauptinhalt
Für die einen schön, für die anderen scheußlich. Das Gebäude der Fachhochschule am Alten Markt.

© Andreas Klaer

Streit um Potsdams Mitte: Freunde und Feinde der FH gemeinsam auf Reisen

Inspirationen vom Dresdner Neumarkt: Eine Potsdam-Delegation reiste nach Dresden – um die nächste Ausschreibung für die historische Stadtmitte vorzubereiten.

Eine Reise nach Dresden gibt der Debatte um die Wiedergewinnung der historischen Potsdamer Mitte neue Fahrt. Im Fokus steht das Areal an der Friedrich- Ebert-Straße, auf der heute das marode Gebäude der Fachhochschule (FH) steht, dessen lange geplanter Abriss umstritten ist. Für Ideen zur Gestaltung dieses Areals sind nach PNN-Informationen bereits vor rund einer Woche Befürworter und Gegner des FH-Abrisses in die sächsische Landeshauptstadt gereist, um sich vom Beispiel des mondänen Neumarkts inspirieren zu lassen.

Eingeladen hatte der für die Mitte zuständige kommunale Sanierungsträger, mit dabei waren auch Mitarbeiter der Bauverwaltung und diverse Stadtpolitiker. Die Erkenntnisse nach dem Ausflug, der auch der Vorbereitung für die nächste große Ausschreibung zur Wiedergewinnung der Mitte dienen sollte, sind sehr unterschiedlich. So nannte etwa SPD-Fraktionsvize Pete Heuer nach der Dresden- Tour drei Grundlagen für eine atmosphärisch dichte Wiederbebauung mit urbanem Flair: Die Rückkehr zum historischen Grundriss zusammen mit der sorgfältigen Auswahl der nach historischem Original wieder zu errichtenden Leitbauten sowie dem sensiblen Einfügen moderner Fassaden in die Zwischenräume. In Dresden hatten die Potsdamer unter anderem den Neumarkt besichtigt – dessen barocke Bebauung durch die Luftangriffe im Februar 1945 zu großen Teilen zerstört worden war. Inzwischen ist das Areal rund um die Frauenkirche zu großen Teilen wieder bebaut, historische Gebäude und Grundrisse wurden wiedergewonnen.

Ähnliches kann sich CDU-Fraktionschef Matthias Finken auch für die FH-Flächen vorstellen – und verweist auf das Leitbautenkonzept der Stadt, das für das Areal zwei drei- bis fünfgeschossige Karrees vorsieht, in eins davon soll das sanierte Bildungsforum integriert werden. Drei Eckhäuser sollen dabei jeweils originalgetreu wieder errichtet werden (siehe Kasten). „Für mich hat die Reise gezeigt, dass dieses Konzept die richtige Entscheidung war“, so Finken. Wichtig sei, vor allem Verkehrsfragen schon im Vorfeld der Bebauung zu klären. Heuer sagte, dass Areal müsse etwa mit Hilfe von Tiefgaragen oder begrenzter Anlieferzeiten weitgehend frei von Autoverkehr bleiben und zur Fußgängerzone werden.

Dagegen will die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“, deren Vertreter André Tomczak ebenfalls in Dresden war, weiter für den Erhalt der FH kämpfen. Auch mit diesem Bau könne ein lebendiges und vielschichtiges Stadtzentrum entwickelt werden, sagte er den PNN. So könne die Skelettkonstruktion großzügig mit Wissenschaft, Kultur oder anderer öffentlicher Nutzung besetzt werden. Es gebe auch große Unterschiede zwischen Dresden und Potsdam: Während die Dresdner Altstadt zu DDR-Zeiten brach liegen blieb, wurde der zerstörte Bereich in Potsdam neu interpretiert und bebaut. Mit den Abriss- und Neubauplänen aber werde öffentliches Eigentum vernichtet, damit privatisiert werden kann: Die Stadt liefere sich Investoren aus, warnte Tomczak. Zu erwarten sei ein „hochpreisiges Wohn- und Geschäftsviertel“, ein nennenswerter Anteil an Sozialwohnungen sei dagegen „utopisch“. Zudem würden die Planungen einen kleinstädtischen Maßstab vorsehen, „der weit hinter den Anforderungen an eine wachsende Stadt zurückbleibt“, so Tomczak.

Ob die Initiative an den schon von den Stadtverordneten grundsätzlich beschlossenen Planungen noch etwas ändern kann, ist fraglich. Jedenfalls bereitet der Sanierungsträger die Ausschreibung der FH-Grundstücke bereits vor. Ziel sei „die Realisierung eines attraktiven, lebendigen Stadtquartiers, das sich durch eine hohe städtebauliche Qualität auszeichnet“, sagte Anna Winkler, die Sprecherin des Sanierungsträgers. Für die Auswahl der Investoren solle – ähnlich wie bei der schon teilweise fertigen Bebauung an der Alten Fahrt – ein öffentlicher Wettbewerb durchgeführt werden. Ziel sei es, möglichst verschiedene Arten von Investoren anzusprechen, etwa Einzelinvestoren, Baugruppen und Bauträger.

Winkler kündigte an, dass in dem neuen Quartier sehr wohl auch mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen gebaut werden sollen. Ziel sei ein Mix aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie. „Damit erlangt dieser Bereich die Bedeutung zurück, die ihm historisch zustand“, so Winkler. Das FH-Gebäude soll ab Herbst 2017 abgerissen werden, wenn die Studenten ein neues Lehrgebäude an der Pappelallee beziehen können. Ein Sprecher des Bildungsministeriums sagte den PNN, man gehe davon aus, dass der Umzug wie geplant stattfinde. Winkler erklärte, die Abrisskosten könnten durch die Städtebauförderung mitfinanziert werden. Die Stadtverordneten müssten prüfen, ob die nötigen Planungsarbeiten für den Abriss bereits parallel zur Ausschreibung erfolgen könnten. Ohnehin sollen die Stadtpolitiker in alle Planungen einbezogen werden, machte Winkler deutlich.

HINTERGRUND

Grundlage für die Wiedergewinnung der Mitte ist das 2010 beschlossene Leitbautenkonzept. Es sieht unter anderem den im wesentlichen originalgetreuen Wiederaufbau des Palastes Barberini, der Häuser Humboldtstraße 3 und 4, Schloßstraße 8 („Zum Einsiedler“) und Schwertfegerstraße 10 („Acht Ecken“-Haus), des Plögerschen Gasthofs und des Gebäudes Am Alten Markt 17 vor. Diese Leitbauten sollen Orientierungshilfe und Maßstab für die weiteren Neubauten in der Mitte sein – dort ist der architektonische Spielraum aber größer. Das Konzept basiert auf dem vor 25 Jahren gefassten Beschluss zur

Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss. Für den „Einsiedler“-Leitbau mit seinem markanten Dreiecksgiebel warb der Sanierungsträger bereits auf der Münchner Immobilienmesse Expo Real. Es habe bereits zahlreiche Interessenten gegeben, hieß es. (HK)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false