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Von Sabine Schicketanz: Frieden für Babelsberg

Der Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters mit 700 Gästen fand zum Auftakt des Potsdamer Themenjahrs „Film“ erstmals in der Metropolis-Halle in der Medienstadt Babelsberg statt. Es wurde eine außergewöhnlich emotionale Veranstaltung. Nahezu filmreif

Einer Versöhnung beizuwohnen, ist ein sehr befreiendes Erlebnis. Löst sich doch ein Knoten, ein Konflikt, plötzlich und vielfach auch unerwartet, einfach in Luft auf. Dass dies ausgerechnet beim Neujahrsempfang der Stadt Potsdam, einer traditionell eher steifen, manchmal gar zähen Festveranstaltung, geschehen sollte, hätte vorher niemand zu behaupten gewagt. Doch vielleicht kann es gar nicht anders kommen, wenn die Stadt Potsdam ihr selbstgewähltes „Themenjahr 2011“ ernst nimmt, sich endlich öffnet für die Filmkunst, die Filmschaffenden, die in Babelsberg so große Tradition hat.

Der Moment der Versöhnung jedenfalls, er kam am Freitagnachmittag in der Metropolis-Halle des Babelsberger Filmparks überraschend wie Sommerregen über die 700 Menschen im Publikum. Am Podium Volker Schlöndorff, Oscar-Gewinner, Regisseur, Potsdamer seit fast 20 Jahren, nach der Wende Chef des Babelsberger Filmstudios. Er wolle, sagte er, „eine Hand ausstrecken zu denen, die früher zur Defa gehörten“. Er gelte unter ihnen als „Abwickler“ der Potsdamer DDR-Filmproduktionsstätte, die heute Studio Babelsberg heißt, es herrsche der Eindruck, er geringschätze das Werk der Defa-Schaffenden. Das aber sei nicht wahr, sagte Schlöndorff: „Ich möchte um Versöhnung bitten und um Entschuldigung.“ Er sei frustriert gewesen und habe maßlos übertrieben, als er vor mehr als zwei Jahren in einem Interview gesagt hatte, die Defa-Filme seien furchtbar gewesen, bei der Defa habe alles „vor sich hingesuppt“. Was er gesagt habe, tue ihm sehr leid. „Ohne die Hochachtung vor den Kollegen“, sagte er, die Stimme tränenerstickt, wäre er nie nach Babelsberg gekommen, „das ist es doch, was mich motiviert hat“.

Das Publikum applaudierte Schlöndorff herzlich. Und in Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der jüngst selbst einige Anläufe unternahm, Versöhnung zu schaffen, dafür jedoch medial in Bedrängnis geriet, fand der Oscar-Preisträger einen aufrichtigen Unterstützer. Wenn es Verletzungen gegeben habe, Missverständnisse, dann sei es klug und richtig, zu gegebener Zeit die Hand auszustrecken, so Platzecks Botschaft. In weniger tragenden Worten ausgedrückt: „Ich fand’s ’ne starke Sache.“

Doch Schlöndorff stand mit seiner Versöhnung nicht allein. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) schlug in seiner angenehm lebendigen Neujahrsrede politisch leise Töne an. Er mahnte zwar das Land, die Hauptstadtzulage für Potsdam von fünf Millionen Euro jährlich nicht abzuschaffen, doch das war nur ein Zwischenton. Den Potsdamern versprach Jakobs, angesichts des steten gesellschaftlichen Wandels in ihrer Stadt die mögliche Angst davor, „dass einem das entgleitet, was Heimat ist“, ernst zu nehmen. Auch deshalb wolle er mehr Bürgerbeteiligung. Potsdam, sagte Jakobs, sei dabei sich neu zu schaffen, „indem es Alt und Neu miteinander verbindet“. Versöhnlich auch die Töne in dem Konflikt, der die Stadt seit langen Jahren beschäftigt: Dass der Bund beschlossen habe, seine Mauergrundstücke am Griebnitzsee an Potsdam zu verkaufen, dafür sei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu danken, sagte Ministerpräsident Platzeck.

Am Seeufer könnte Regisseur Schlöndorff übrigens noch Versöhnungsarbeit leisten: Er ist selbst Anrainer, setzt sich für einen öffentlichen Uferweg ein. Zunächst aber kann Schlöndorff befreit das Filmjahr feiern. „Es lebe Potsdam – Stadt des Films“ – so schloss er seine Ansprache.

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