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ATLAS: Ganz normal

Es war eine Überraschung. Bisher hatte er immer nur geschaut.

Es war eine Überraschung. Bisher hatte er immer nur geschaut. Erst ganz verstohlen, aus dem Augenwinkel. Dann ein wenig mutiger. Und neugierig. Noch ein paar Wochen später lächelte er, zaghaft, aber doch entschlossen. Dann, noch später, gab es ein Nicken, ganz souverän. Und nun, beim Abholen, die Überraschung: „Sie kommt gleich“, sagte er zur Begrüßung, „sie ist noch oben.“ Als wäre das alles nichts, als wäre es ganz normal. Das ist es auch – und doch ist es bemerkenswert.

Der kleine Junge, neun Jahre alt, besucht eine Potsdamer Grundschule. Aber erst seit ein paar Monaten. Mit seiner Familie ist er vor dem Krieg in Syrien geflüchtet. Als er in die erste Klasse kam, sprach er kein Wort Deutsch. Alles war neu für ihn, das war ihm selbst bei flüchtigen Begegnungen anzusehen. Manchmal stand er einfach nur am Fenster, schaute auf den Schulhof hinaus. Doch je mehr Tage und Wochen vergingen, desto offener wirkte der Junge, fröhlicher, entspannter. Jedes Mal mehr wie ein Kind. Und jetzt, jetzt fällt er gar nicht mehr auf unter den Dutzenden Kindern, die aus dem Unterricht in den Schulflur stürmen.

Was bleibt sind die Gedanken an die vielen, die es nicht so gut haben. Aber auch die Freude darüber, dass es zu schaffen ist. Ganz unwillkürlich.

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