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Tag der Architektur in Potsdam: Gründerzeit reloaded

Am Tag der Architektur können Besucher Stuckarbeiten an einem über 100 Jahre alten Haus in Babelsberg mitverfolgen.

Wer noch weiß, wie das Haus in der Wollestraße 34 vor gut einem Jahr aussah, wird es heute kaum wiedererkennen: Wo sich einst grau-brauner, bröckelnder Putz befand, entsteht nun nach und nach eine prachtvolle Stuckfassade im Stil der Gründerzeit, in der das Haus einst erbaut wurde.

Damit erfüllt sich Holger Häußermann, der das Grundstück 2014 erworben hatte, einen lange gehegten Traum: „Ich wollte immer in einem richtig schönen Haus wohnen, es gab damals aber keines, das man kaufen konnte“, sagt er. Also verschönert er nun einfach das ehemalige Zweifamilienhaus, in das er künftig mit seiner Familie einziehen will. „So wird aus dem hässlichen Entlein doch noch ein Schwan“, scherzt Häußermann.

Bereits jetzt können sich die Stuckarbeiten, die von der Potsdamer Firma Pauli & Ebell durchgeführt werden, sehen lassen: Über den Fenstern entstehen aufwändige Giebel mit üppigen Blumenornamenten, Akanthus-Blättern, Wappen und Muscheln, darunter werden kunstvolle Konsolen und Agraffen (Schlusssteine) angebracht. Ein klassisches Gründerzeithaus mit neobarocker Fassade, erläutert Architekt Eberhard Lange: „Solche Fassaden mit viel Stuck und sehr intensiver, vielfältiger Ornamentik waren typisch für diese Zeit. Damals gab es viele solcher Häuser hier in Babelsberg.“

„1904/1905“ war in ein Stück Putz eingeritzt, aus dieser Zeit stammt das Haus also. Die Kriegszeit hatte es zwar unbeschadet überstanden, doch in den 1960er Jahren war die einst prachtvolle Fassade zusehends verfallen, der Stuck bröselte an allen Ecken und Enden. Aus Mangel an Geld und Material entschlossen sich die damaligen Eigentümer, den Stuck zu entfernen sowie die abgeschrägte Dachfront im Obergeschoss durch eine gerade Hauswand zu ersetzen. Danach sah das Gebäude wie ein schlichter Kasten aus, so wie man es bis vor kurzem kannte. Lediglich der Sockel aus gelben Klinker-Ziegeln erinnerte noch an das ursprüngliche Aussehen.

Vielleicht wäre das auch so geblieben, denn ursprünglich hatte Häußermann gar keine Rekonstruktion der Fassade geplant. Dass es doch dazu kam, ist dem Zufall geschuldet: Häußermann wollte das Dachgeschoss des Hauses auch als Wohnraum nutzen, wofür das Dach etwas angehoben werden musste. Das Haus ist zwar nicht denkmalgeschützt, steht aber im „Denkmalbereich Nowawes“, weshalb es zunächst keine Genehmigung für die Umbaupläne gab. Doch Eberhard Lange forschte in den Archiven und stieß auf die alte Akte des Hauses. Der Mitarbeiter im Denkmalamt habe gesagt, dass das wie ein Treffer im Lotto sei, erinnert sich Häußermann. „Solche Akten gibt es fast gar nicht mehr.“

Aus dem Dokument ging hervor, dass das Haus ursprünglich anders geplant gewesen war, weshalb der Dachumbau doch genehmigt werden konnte. Viel wichtiger aber war ein Foto, dass der Akte beilag: Es zeigte die Front des Hauses aus den 1930er Jahren und war vom damaligen Besitzer in den 1960er Jahren zusammen mit dem Antrag für die Entfernung des Stucks eingereicht worden. Ironischerweise dient genau dieser Antrag nun als Grundlage, den Stuck wieder zu rekonstruieren, denn es ist das einzige Foto, das von dem Gebäude existiert.

„Das hat uns den Mund wässrig gemacht“, sagt Häußermann über den Moment, als er das Foto sah. Vor etwa einem Jahr begannen dann die Planungen: Basierend auf dem Foto wurden detaillierte Zeichnungen der Ornamente angefertigt, die den Originalen so nahe wie möglich kommen sollten. Jedes Blütenblatt wurde vom Denkmalamt einzeln abgesegnet, erzählt Häußermann. Zu den genauen Kosten möchte er sich nicht äußern, doch allein für die Fassade habe er etwa so viel investiert wie für ein gutes Mittelklasse-Auto.

Das Haus hat noch weitere Besonderheiten: Das Dach wird seine ursprüngliche Form mit den schrägen Fronten zwischen den Fenstern wiedererhalten und das kleine Gartenhäuschen im Hinterhof soll zum Atelier umgebaut werden. Im Wohnhaus wird eine moderne Heizung mit Bauteiltemperierung eingebaut, sprich, die Heizrohre werden direkt in das Mauerwerk verbaut. Dadurch werden die Wände angewärmt, nicht die Luft, wie bei freistehenden Heizkörpern. „So hat man im Winter keine trockene Luft und es kann auch kein Schimmel in den Ecken entstehen“, erklärt Häußermann. Im Falle eines Rohrbruches muss allerdings die Wand geöffnet werden.

Am Sonntag, also am Tag der Architektur, können Interessierte übrigens vor Ort zuschauen, wie Stuckateur Thomas Pauli arbeitet: Ab 14 Uhr wird er live einen besonders aufwändigen Stuckgiebel, der künftig über der Haustür hängen wird, modellieren. Die Fertigstellung des Hauses ist für Ende 2017 geplant.

Wollestr. 34, 14482 Potsdam, Öffnungszeit: 25. Juni, 13 –18 Uhr, Führungen: 13, 15 und 17 Uhr

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