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Landeshauptstadt: Grüne befürchten Katzenjammer bei SPD

Europawahl in Potsdam: Gewinner PDS sieht sich bestätigt, Grüne jubeln, SPD stürzt ab, CDU unzufrieden

Europawahl in Potsdam: Gewinner PDS sieht sich bestätigt, Grüne jubeln, SPD stürzt ab, CDU unzufrieden Von Sabine Schicketanz „Es ist ein großartiges Ergebnis für die Grünen und in Potsdam hätte ich es so exorbitant nicht erwartet“, sagte gestern Peter Schüler, Grünen-Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung. Mit 16 Prozent der Stimmen haben die Grünen bei der Europawahl am Sonntag laut vorläufigem Endergebnis in der Landeshauptstadt überraschend die CDU (15,2 Prozent) auf den vierten Platz verwiesen. 3784 Potsdamer mehr als bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren machten ihr Kreuz bei den Grünen – dagegen mussten SPD (-2066) und CDU (-383) Wählerverluste einstecken. Am meisten Stimmenanteile bekamen die Grünen in der Brandenburger Vorstadt: 39,6 Prozent. Klarer Sieger der Wahl, an der sich nur 32,9 Prozent der rund 117 000 wahlberechtigten Potsdamer beteiligten, war jedoch die PDS, die 34,4 Prozent aller Stimmen auf sich vereinte und 545 Wähler hinzugewann. „Es ist in Potsdam anerkannt, dass die PDS für eine klare, ausmachbare Politik steht“, kommentierte PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. „Die Leute fühlen sich missverstanden, die Abgeordneten und Stadtverordneten entscheiden an ihnen vorbei.“ Dass die Potsdamer mit der PDS vor allem gegen die Regierungsparteien auf Bundesebene gestimmt haben, glaubt Scharfenberg aber nicht. „Wir haben eine hohe Sensibilisierung für Europa erreicht.“ Der PDS-Wähler habe gewollt, dass die Sozialisten die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und wieder ins Straßburger Parlament einziehen. Wie in Bund und Land hat die SPD auch in Potsdam deutlich verloren. Die Sozialdemokraten rutschten von 29,3 Prozent im Jahre 1999 auf jetzt 20,7 Prozent. In nur zwei von 110 Wahlbezirken – Teltower Vorstadt (30,0) und Satzkorn (24,3) – konnten sie die meisten Wähler überzeugen. „Wir konnten unsere Wähler nicht mobilisieren“, sagte SPD-Stadtfraktionschef Andreas Mühlberg. Die Bundesregierung müsse aber trotzdem an ihrer Reformpolitik festhalten. Für die Landtagswahl im September warnte Mühlberg: „Wir müssen kämpfen bis zum Schluss. Selbst Matthias Platzeck ist kein Garant für einen automatischen Wahlsieg.“ Besonders schlimm sei zudem die geringe Wahlbeteiligung, so Mühlberg: Brandenburg ist mit 27 Prozent wieder bundesweites Schlusslicht, Potsdam mit 32,9 Prozent aber immerhin „Spitzenreiter“ im Land. Dass nur jeder dritte Potsdamer zur Urne gegangen ist, sei eine Ursache für das nicht zufrieden stellende Abschneiden der CDU, sagte Vize-Stadtfraktionschef Steeven Bretz. Die Union bekam 15,2 Prozent aller Stimmen. „Die PDS-Wähler haben eine hohe Geschlossenheit, wir konnten das bürgerliche Lager nicht mobilisieren.“ Außerdem habe die Frustration über die Bundespolitik viele Wähler abgeschreckt. „Das hat der PDS genutzt.“ Effekte der Europawahl auf die Kommunalpolitik erwarten die Stadtfraktionen kaum. „Ich habe mir abgewöhnt, daran zu glauben, dass Wahlergebnisse in den Köpfen der anderen Parteien, vor allem der SPD, etwas bewegen“, sagte PDS-Chef Scharfenberg. „Das Schlimmste wäre, wenn die SPD Katzenjammer kriegt“, so der Grüne Schüler. „Befürchten muss man das, aber ich hoffe es nicht. Das wäre katastrophal.“ Nach Angaben von Reiner Pokorny, Leiter Zentrales Controlling der Stadtverwaltung, ist die Europawahl in Potsdam reibungslos verlaufen. Die 646 Wahlhelfer, darunter 447 Freiwillige, hätten die 37 935 Stimmen aus den 110 Wahllokalen in Rekordzeit von nur zwei Stunden ausgezählt. „Bis 20 Uhr hatten wir alle Ergebnisse zusammen.“ Die höchste Wahlbeteiligung gab es in Sacrow (51,8 Prozent). 5728 Potsdamer nutzten die Möglichkeit der Briefwahl, rund 300 forderten ihre Briefwahlunterlagen per Internet an. „Die Briefwahl-Tendenz steigt damit weiter generell.“ 125 in Potsdam lebende Bürger aus den anderen 24 EU-Staaten haben sich zur Wahl ins Wählerverzeichnis eintragen lassen – rund 1800 hatte die Verwaltung angeschrieben, auf ihr Wahlrecht aufmerksam gemacht und gleich entsprechende Anträge beigelegt. Zu beachten bei der Auswertung der Europawahl sei, dass 67 Prozent aller Wahlberechtigten in Potsdam Nichtwähler seien, meinte Pokorny. „Das Stehlen der Stimmen untereinander ist für die Parteien nicht mehr das Entscheidende. Sie müssen die Wähler motivieren.“

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