zum Hauptinhalt

PYAnissimo: Haben Sie schon eine strategische Steuerung?

Ich habe kürzlich Haushaltssondermittel beantragt. Lieber Mann, habe ich gesagt, wir brauchen ein strategisches Steuerungskonzept.

Ich habe kürzlich Haushaltssondermittel beantragt. Lieber Mann, habe ich gesagt, wir brauchen ein strategisches Steuerungskonzept. Das macht man jetzt so, ein Konzept gibt Halt und zeigt, wie zukunftsorientiert wir sind.

Ich habe also erstmal Mittel in unbestimmter Höhe – eine wichtige Arbeit darf man unmöglich finanziellen Einschränkungen unterordnen – beantragt. Ebenso eine bezahlte Freistellung. Zuerst habe ich ein Logo für Flyer, Kulis und Luftballons entworfen. Dann habe ich zum Haushaltsvorstand gesagt: Bevor ich loslege, brauche ich eine Analyse vom Ist-Zustand. Ein unabhängiges Experten-Gutachten. Das wurde sofort genehmigt. Ich bin also mit meiner Freundin essen gegangen und habe sie gefragt, was sie so über uns denkt. Dann war ich mit einer anderen Freundin Kaffeetrinken und habe sie über ihre Familie ausgefragt. Ich brauchte ja eine Vergleichsgruppe. Diese Rechnung hab ich auch locker durch den Nachtragshaushalt bekommen. Mein Mann hat dann mal gefragt, wann es denn fertig wäre, das Strategiepapier. Ich habe gesagt, es läuft alles prima, nach ein paar Anpassungen, Aktualisierungen und einer unwesentlichen Fristverlängerung werde ich einen Fertigstellungstermin terminieren.

Es ist ein herrliches Strategiekonzept geworden. Ich habe mich schon für ein internationales Qualitätssiegel beworben. Zur Übergabe wurde ein Fest veranstaltet, die Medienbeauftragte, die ich wegen der Frauenquote beschäftige, hat alle Nachbarn eingeladen. Das Fest hieß: „So wollen wir leben“, mit Kaffee, Kuchen und Würstchen, finanziert über Festivalförderung und Sondermittel aus dem Budget für Mehrgenerationenprojekte, weil auch die Kasupkes von ganz oben runterkamen. Dazu spielte die Schülerband meines Sohnes, ich bin jetzt deren Hauptsponsor.

Das Steuerungsdingsbums ist natürlich online, interaktiv, mehrsprachig. Ein Nachbar betreut die Seite professionell und hat dafür mit Landeszuschuss ein Startup gegründet. Ich plane jetzt eine wissenschaftliche Evaluierung und betreue viele Infostände. Ich habe echt zu tun, die Wohnung sieht aus wie Hulle. Aber: Es gibt ja das Strategiekonzept, wo ich reinschaue, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Da steht zum Beispiel: Die Bedürfnisse und Wünsche aller Bewohner werden je nach Möglichkeit und Voraussetzung kurzfristig miteinander verzahnt und mittelfristig umgesetzt. Den Müll bringen die Bewohner der gemeinschaftlichen Wohnung abwechselnd raus, im Streitfall entscheidet ein Mediator. Die Spülmaschine darf jeder so einräumen, wie er möchte, wenn dabei ein paar allgemeine Grundsätze des gesunden Menschenverstands beachtet werden. Zur Erarbeitung dieser Grundsätze befindet sich derzeit eine basisdemokratische Arbeitsgruppe in Gründung, ein Fördermittelantrag läuft...

Das ist selbstverständlich alles frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realem Irrsinn nicht ausgeschlossen.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false