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Landeshauptstadt: Handwerk ächzt unter Preisdruck

Handwerkskammervorstand besuchte Mitgliedsbetriebe / Besorgt über Ausschreibungspraxis

Handwerkskammervorstand besuchte Mitgliedsbetriebe / Besorgt über Ausschreibungspraxis Von Hella Dittfeld Der Handwerksbetrieb HSW Gebäudereinigung in Babelsberg läuft nicht schlecht. Als Nachfolger des VEB Dienstleistungskombinat zwar mit Schmerzen, aber schließlich doch erfolgreich über die Wende gebracht, bietet er 140 Beschäftigten Lohn und Brot. Doch Geschäftsführer Jürgen Hoffmann, der seit 46 Jahren in der Branche tätig, Gebäudereinigungsmeister und dazu noch Kaufmann ist, weist beim Besuch von Kammerpräsident Klaus Windeck auch auf eine sorgenvolle Entwicklung hin. Aufträge regelten sich mehr und mehr über den Preis, Qualität werde kaum noch honoriert, selbst öffentliche Auftraggeber fragten nicht mehr nach, ob der überhaupt zu halten sei oder das Dumping den Beschäftigten aufgebürdet werde. „Ich weiß, was zu leisten ist“, so Hoffmann. Wer die Intensität der Arbeit immer weiter erhöhe, erwarte offenbar, dass die Arbeitnehmer mehr Zeit investieren als bezahlt wird. Hoffmann macht sich dagegen andere Spargedanken und versucht auch in Nischen einzudringen. Die Firma in der Großbeerenstraße ist gerade dabei, 13 erdgasbetriebene Kleintransporter anzuschaffen. Geleast werden bereits auf Gas umgestellte Fiats. Der HSW will dadurch 35 bis 40 Prozent seiner Fahrkosten einsparen. Eine Füllung erlaubt 70 Kilometer Bewegungsfreiheit. Der Betrieb, dessen Hauptauftraggeber die Kommune ist, hat als Nischensegment jetzt auch Einzelaufträge für Treppenreinigungen übernommen, wenn Mieter das nicht erledigen wollen, dafür aber zuständig sind. Der Preisdruck bei Ausschreibungen macht dem Handwerk generell zu schaffen, war bei der Besuchstour von Kammervorstandsmitgliedern gestern immer wieder zu hören. Auch Windeck mit eigenem Betrieb bei Brandenburg bezweifelt, dass der Billiganbieter die geforderte Leistung überhaupt bringen kann, dass er entweder mit den Kosten nachlegt oder bei der Qualität die Parameter nicht einhält. Einen speziellen Fall will er gerade prüfen lassen. Der Qualitätsverfall werde durch die Aufhebung des Meisterzwangs für bestimmte Gewerke noch forciert, so die einhellige Meinung. Das sieht auch Fliesenlegermeister Dirk Schulze aus Saarmund so. Er, der mit seinen vier Mitarbeitern wert auf Qualität legt, bekomme öffentliche Aufträge kaum noch. Grund: der Preis. Vor allem Privatkunden seien aber zufrieden mit der Firma und so gebe es neue Aufträge vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Und er wies auf eine weitere Schwierigkeit hin, die viele beklagen: die schlechte Zahlungsmoral. Einige Firmen hätten sich auf Zahlungsverschleppung geradezu spezialisiert. Gelobt wurde in diesem Zusammenhang die Arbeit der Inkassostelle der Handwerkskammer. Die Stellung zu den Innungen, die nach Baubetriebschef Eckehard Hummel eigentlich „die Perlen des Handwerks“ sein sollten, fiel dagegen unterschiedlich aus. Von den 3536 Handwerksbetrieben in Potsdam Stadt und Land sind nur 871 Innungsmitglieder. Insgesamt acht Betriebe in der Stadt und deren Umgebung wurden besucht und der Kammervorstand ließ sich erzählen, wo der Schuh drückt und wo man helfen kann. Ein Thema für sich war die Lehrlingsausbildung, die derzeit an zu wenig Arbeit, aber auch an schlechten Voraussetzungen der Schulabgänger leidet. Die Firma Kaminski in Werder, die Teile für Präzisionsgeräte herstellt, nimmt beispielsweise nur noch Abiturienten. Für die Belange des Handwerks werde durch die Regierung Schröder zu wenig getan, kritisierte Kammer-Hauptgeschäftführer Wolfgang König und nannte den Jobgipfel eine „große Enttäuschung“. Er fordert geringere Lohnnebenkosten und eine Lockerung des Kündigungsschutzes.

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