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Verkabelt. Im Schlaflabor untersuchen die Ärzte, wie es um den Schlaf der Patienten wirklich bestellt ist.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Im Schlaf durch den Himalaya

Schlafmedizinisches Zentrum des Bergmann-Klinikums erweitert / Hilfe für chronische Schnarcher

Innenstadt - Die ersten Beschwerden meldete ihr Mann an: Christina Fiebig schnarchte. „Wahnsinnig laut“, erzählt die 55-Jährige. So laut, dass irgendwann selbst der Gartennachbar erschrak, wenn sie auf der Liege einnickte. „Er konnte nicht glauben, dass das von einer Frau kommt.“ Den Ausschlag dafür, dass Fiebig im November 2011 schließlich den Arzt aufsuchte, gab ein beunruhigendes nächtliches Schauspiel: „Mein Mann hat mitgekriegt, dass ich Atemaussetzer habe“, erzählt die Angestellte. Aber trotz heftigem Rütteln wurde sie nicht wach.

Schnarchen ist nicht nur eine Frage der Lärmbelästigung von Bettgenossen, wissen Dr. Jörg Günther und Dr. Hans Grundig, Fachärzte am Schlafmedizinischen Zentrum des Bergmann-Klinikums. Es kann Anzeichen einer lebensbedrohlichen Krankheit sein: dem Schlafapnoe-Syndrom, unter dem nach Schätzungen der Experten drei bis sechs Prozent aller Erwachsenen leiden. Bei Betroffenen kollabieren die oberen Luftwege während des Schlafes immer wieder und die Atmung setzt dann komplett aus. Bei Christina Fiebig gab es bis zu 60 Mal pro Stunde solche Unregelmäßigkeiten, ihr Atem war teilweise bis zu einer Minute lang unterbrochen, sagt Jörg Günther.

Die Folgen: Der Sauerstoffgehalt im Blut sinkt auf bis zu 65 Prozent ab. „Wie nach einem langen Fußmarsch in 6000 Metern Höhe im Himalaya“, erklärt Jörg Günther. Für den Körper bedeutet das permanent Stress: Es kommt zu starkem Herzklopfen, weil der Körper den Sauerstoffmangel ausgleichen will. Betroffene sind davon nicht nur tagsüber müde und haben Konzentrationsschwierigkeiten. Sie werden auch anfälliger für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, aber auch Depressionen, sagt Hans Grundig. Im Extremfall kann es zum Schlaganfall kommen.

Im gerade erweiterten Schlafmedizinischen Zentrum in der vierten Etage des neuen Präventions- und Rehazentrums in der Gutenbergstraße behandeln Günther und Grundig chronische Schnarcher wie Christina Fiebig. Erster Schritt für Betroffene ist ein Termin bei der Schlaf-Sprechstunde von Hans Grundig. Allein im vergangenen Jahr nutzten 870 Patienten dieses Angebot. Nach einem „Schlafscreening“, bei dem im heimischen Bett mit einem kleineren Messgerät Daten zur Schnarchzeit und zu Sauerstoffabfällen aufgezeichnet werden, entscheidet der Arzt, ob eine ausführliche Untersuchung bei einer Nacht im Schlaflabor notwendig ist.

Mittels Elektroden werden dort etwa Daten zur Herzfrequenz, zum Sauerstoffgehalt und zur Hirnaktivität aufgezeichnet, erklärt Grundig. Eine Videokamera hält zudem Bewegungen fest. Acht Betten haben die Schlafmediziner dafür seit Januar 2012 – viermal so viele wie vor der Erweiterung. Damit komme man dem steigenden Bedarf entgegen, sagt Günther.

Christina Fiebig bekam nach ihrer Nacht im Labor schließlich ein Beatmungsgerät. Seit Dezember steht es neben ihrem Bett: Eine kleine Turbine erzeugt darin einen leicht erhöhten Luftdruck, über eine Maske wird die Luftzufuhr während des Schlafes aufrechterhalten. Der Effekt ist enorm, wie Christina Fiebig berichtet: „Ich bin sowas von ausgeschlafen, das kann sich keiner vorstellen. Man ist ein neuer Mensch!“

Nicht bei allen Patienten ist ein solches Gerät notwendig, betont Hans Grundig. Denkbar sind auch operative Eingriffe – etwa an der Nasenscheidewand – oder aber die „konservative Therapie“. Dabei trainieren Patienten beispielsweise, nicht mehr auf dem Rücken – der schnarch-anfälligsten Position – zu schlafen. Das gelingt zum Beispiel mit einem „Schlafrucksack“, erklärt Grundig: Ein mit einem Kissen gefüllter Rucksack, der die Rückenlage unbequem macht. Zur Schnarch-Vorbeugung rät der Schlafmediziner zu regelmäßigem Schlaf. Essen nach 18 Uhr und Alkohol am Abend sollten möglichst vermieden werden. Jana Haase

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