zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Im Vollrausch zum Stipendium

Andreas Maier beendete am Dienstag seine Zeit in der Stadt mit einer Satire über Potsdamer Befindlichkeiten

Andreas Maier beendete am Dienstag seine Zeit in der Stadt mit einer Satire über Potsdamer Befindlichkeiten Von Henri Kramer Andreas Maier liest, die eng an eng sitzenden Leute im ersten Stock des Literaturladens „Wist“ in der Brandenburger Straße schmunzeln. Maier zitiert aus einer kurzen Geschichte, die er über Potsdam geschrieben hat, „unfertig“, „halbfiktiv“ und „alles gelogen“, versichert der Jungautor. Maiers Geschichte beginnt mit Potsdams Bewerbung als Kulturhauptstadt, anders als in seinem Fall wird aber statt einem Literaten ein Filmemacher als Stipendiat gesucht. Just zu diesem Zeitpunkt zecht der recht bekannte Regisseur Christoph Buderius mit einem russischen Kollegen, gemeinsam gehen sie auf die Potsdamer Internetseite. Nach mehreren Wodkas ist die Bewerbung fertig und gleich dazu noch der Entwurf für eine auf Potsdam zugeschnittene Seifenoper namens „Sanssouci“. Am nächsten Tag hat Buderius seine nächtliche Aktion im Vollrausch vergessen. Nur die Potsdamer Jury ist begeistert, wählt ihn bald aus. Buderius weiß von nichts - bis die ersten Anrufe von der Presse kommen. Ob Maier selbst seine Bewerbung im Suff geschrieben hat, lässt er am Dienstagabend offen. Während der Lesung samt Diskussion steht dennoch weniger sein literarisches Können im Mittelpunkt, sondern wieder jene nach Oberbürgermeister Jann Jakobs Worten „ausgesprochen peinliche“ Angelegenheit vom vergangenen Herbst. Damals hatte Maier das von Potsdam vergebene Literaturstipendium für die Kulturhauptstadtbewerbung wegen Streitereien mit dem Kulturbereich von Gabriele Fischer nicht angenommen. Danach schrieb er am 26. November in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) über seine Erlebnisse mit städtischen Angestellten wie Rosemarie Spatz oder Gerhard Meck. Die beiden Protagonisten sind inzwischen versetzt. Frau Spatz etwa arbeitet nun im Naturkundemuseum. „Passt ja zum Namen“, lästert Moderator Hendrik Röder vom Brandenburgischen Literaturbüro zu Beginn. Später fragt er Maier: „Haben sie sich nie gefragt, was dieser Artikel auslösen könnte?“ Maier verneint, ihm sei die Wirkung nicht bewusst gewesen. „Ich hatte in dieser Zeit zum Teil bis zu acht Stunden Telefonate pro Tag, da blieb wenig Zeit zum Nachdenken – für die FAZ wollte ich, dass der Text funktioniert und rechtzeitig fertig wird.“ Nach dem Eklat gründete Wolfgang Cornelius seine Initiative Kultur und Kommerz (KuK) und holte den Literaten für 6000 Euro doch noch nach Potsdam, „um das Image wieder zu heben, denn diese Pannenkette ist nicht typisch für die Potsdamer Verwaltung“. Auch der eingeladene Oberbürgermeister muss für Moderator Röder noch einmal zurückblicken. „Absolut unprofessionell“, nennt er das Verhalten der Verwaltung. „Wir haben jedoch begonnen nachzudenken, was in Potsdam nicht so läuft“, so Jakobs. Maier nutzt die Gelegenheit für einen Tipp: Kollegen hätten gefragt, wo sie sich für ein Stipendium in Potsdam bewerben könnten, dass er nun absolviert habe. „Dass es keine Kontinuität für so eine Arbeit gibt, ist kaum vermittelbar.“ Ob Maiers Text über Potsdam aus dem Rohstadium noch herauskommt, ist ungewiss. Im Literaturladen lässt er seine Hauptfigur Buderius nach etlichen Anfeindungen Selbstmord begehen. Dann steht Maier auf, nimmt den Applaus entgegen und lächelt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false