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Ein Staatsmann in Potsdam: Potsdam trauert um Weizsäcker

Richard von Weizsäcker hat die Republik verändert. Der am Samstag mit 94 Jahren verstorbene Staatsmann hat Geschichte geschrieben. Spuren hat er auch in Potsdam hinterlassen. Oberbürgermeister Jakobs würdigte sein Engagement für die Landeshauptstadt und die Garnisonkirche.

Von Peer Straube

Das Projekt war ihm eine Herzensangelegenheit. Noch vor wenigen Monaten war Richard von Weizsäcker in Potsdam, bei der Aufstellung der Wetterfahne der Garnisonkirche. Auf einen Stock gestützt und von Krankheit gezeichnet, war es einer seiner letzten öffentlichen Auftritte. „Wir brauchen diese Kirche als Lernort der deutschen Geschichte“, sagte er damals. Die Wetterfahne sei ein wichtiger Schritt zur „Wiedergewinnung der Garnisonkirche als Ort der Friedens- und Versöhnungsarbeit“. Es war ein Zeichen, auch an die Adresse der Gegner des Wiederaufbauvorhabens. „Er hat uns an diesem Tag ermutigt, an dem Projekt festzuhalten“, sagte Burkhart Franck von der Garnisonkirchen-Fördergesellschaft am Sonntag den PNN.

Oberbürgermeister Jakobs erinnert an Wirken Weiszäckers in Potsdam

Von Weizsäckers Tod hat auch in Potsdam Trauer und Betroffenheit ausgelöst. „Wir werden ihn als großen Freund unserer Stadt in Erinnerung behalten“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Er würdigte das lebenslange Wirken von Weizsäcker und sein Engagement für Potsdam. Von Weizsäcker habe große Verdienste um die Deutsche Einheit erworben. Durch seine berühmte Rede zum 8. Mai 1945 sei er zur „moralischen Instanz in unserem Land“ geworden, sagte Jakobs. Der Rathauschef erinnerte daran, dass sich von Weizsäcker bereits 1993, noch zu seiner Zeit als Bundespräsident, ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte.

Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Garnisonkirche, Wolfgang Huber, erklärte: „Ich bin sehr traurig und beklage den Verlust eines persönlichen Freundes. Er war uns mit der Klarheit seiner Gedanken und Reden und seiner menschlichen Wärme ein großes Vorbild. Ich vermisse ihn.“ Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) würdigte von Weizsäckers Rolle als „Bundespräsident der Deutschen Einheit“. Seine ausgleichende Art habe viele Ostdeutsche tief beeindruckt. Als Bundespräsident habe von Weizsäcker Maßstäbe gesetzt, sagte Ingo Senftleben, CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag.

Weiszäckers war in Stauffenbergs Regiment in Potsdam

Von Weizsäckers Beziehung zu Potsdam begann kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Als 18-Jähriger wurde er 1938 Mitglied des in Potsdam stationierten Infanterieregiments (IR) Nr. 9, jener Einheit, aus deren Kreis auch viele Widerständler des 20. Juli 1944 kamen. Von Weizsäcker gehörte ebenfalls zu den Eingeweihten um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und deckte die Protagonisten des Attentats auf Hitler. Die Hauskirche des IR 9 war die Garnisonkirche. Von Weizsäckers Bruder Heinrich, ebenfalls Mitglied des IR 9, fiel im Zweiten Weltkrieg. Der Vater, der SS-Offizier Ernst von Weizsäcker, wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wegen seiner Mitwirkung bei der Deportation französischer Juden nach Auschwitz zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Weizsäcker brach mit der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel

Vor diesem Hintergrund war es von Weizsäcker besonders wichtig, dass die Garnisonkirche als Friedens- und Versöhnungszentrum aufgebaut wird. Nicht zuletzt deshalb überwarf er sich seinerzeit mit der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) und deren Chef Max Klaar. Die TPG hatte rund sechs Millionen Euro für den Wiederaufbau der Kirche gesammelt, forderte allerdings eine rein kirchliche Nutzung des Gotteshauses. Von Weizsäcker hatte ebenfalls Geld für die TPG gespendet, dies aber später als Fehler bezeichnet. Klaars Spendenmillionen werden wie berichtet inzwischen für andere Kulturprojekte verwendet.

Nach Klaars Ausstieg aus dem Projekt und der Gründung der Wiederaufbau-Stiftung durch die Evangelische Landeskirche, die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg engagierte sich von Weizsäcker auch öffentlich für das Projekt. 2005 war er bei der offiziellen Grundsteinlegung dabei, 2012 übernahm er – als inzwischen 91-Jähriger – das Ehrenkuratorium für den Wiederaufbau der Kirche.

Altbischof Huber nennt Weizsäckers historische Worte prägend für die Stiftung

Garnisonkirchen-Stiftung und Fördergesellschaft fühlten sich den Worten von Weizsäckers verpflichtet, betonte Altbischof Huber, Kuratoriumschef der Wiederaufbaustiftung. Huber zitierte auch aus der berühmten Rede, die von Weizsäcker als Bundespräsident am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Tags der Befreiung gehalten hatte. „Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart () Gerade deshalb müssen wir verstehen, dass es Versöhnung ohne Erinnerung gar nicht geben kann.“ Diese Worte seien auch für die inhaltliche Arbeit an der Garnisonkirche prägend, sagte Huber.

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