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Schüler markieren auf einer Weltkarte ihre Herkunft - in der Ausstellung im Rahmen des außerschulischen Bildungsangebots „Ein Tag in Potsdam – Geschichte erleben - Auf den Spuren der Migranten“ (Symbolbild).

© Martin Müller

Syrer wollen deutschen Pass: Potsdam kommt bei Einbürgerungen nicht hinterher

In der Landeshauptstadt haben sich die Wartezeiten deutlich verlängert – es fehlt Personal. Was das für die Betroffenen bedeutet.

Die Zahl der Anträge auf Einbürgerung bei der Stadt Potsdam hat im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht: 1063 Personen stellten 2022 einen solchen Antrag. Gleichzeitig stieg die Zahl der Einbürgerungen aber nur sehr gering. Das geht aus der Antwort der Verwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. 2021 gingen demnach bei der Stadt 421 Anträge ein. Im Jahr davor waren es 131 Anträge, 2019 waren es 206 und 2018 noch 131 Anträge für einen deutschen Pass.

Bewilligt wurden jedoch deutlich weniger Anträge. 2022 gab es nur 180 Einbürgerungen. 2021 waren es 155, im Jahr davor 87. 2019 und 2018 wurden 120 und 124 Einbürgerungen genehmigt. Die Stadt räumt auf Anfrage dieser Zeitung ein, dass das eingesetzte Personal nicht ausreiche. Schon jetzt sei absehbar, dass mit dem für den Haushalt 2023/2024 angezeigten Personalmehrbedarf „das bislang vorliegende Antragsaufkommen nicht adäquat bearbeitet werden kann“, so Sprecherin Juliane Güldner.

Fereshta Hussain, Vorsitzende des Migrantenbeirats Potsdam. Sie kam im Jahr 2000 mit ihrer Familie nach Potsdam.
Fereshta Hussain, Vorsitzende des Migrantenbeirats Potsdam. Sie kam im Jahr 2000 mit ihrer Familie nach Potsdam.

© Andreas Klaer/PNN

In Potsdam haben sich die Wartezeiten deutlich verlängert. Es seien deshalb 2022 mehr als 100 Beschwerden eingegangen, sagt die Vorsitzende des Migrantenbeirats, Fereshta Hussain. „Die Antragsteller sind sehr unzufrieden, weil es so lange dauert.“ Hinzu kämen Unfreundlichkeit in der Behörde und mangelhafte Information. Das Antragsformular sei erst seit diesem Jahr online abrufbar. Unter der Telefonnummer der Behörde sei meist niemand erreichbar, E-Mails würden nicht beantwortet, so Hussain. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und die Sozialbeigeordnete Brigitte Meier hätten nach einem Gespräch über die Probleme Besserungen versprochen.

Antragsteller müssen Einkommen nachweisen

Vor allem Syrer, die zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland kamen, würden jetzt Anträge stellen, heißt es aus der Verwaltung. Sie hätten einen Aufenthaltsstatus und die Mindestaufenthaltszeit. Auch staatenlose Palästinenser seien unter den Antragstellern. Alle müssen ein eigenes Einkommen und Deutschkurse nachweisen.

Ich konnte mich als Frau frei fühlen. Egal was ich anziehe oder welchen Weg ich gehe.

Fereshta Hussain über ihre Einbürgerung.

Fereshta Hussain sagt, viele Syrer würden sich erst mit deutschem Pass sicher fühlen. Sie könne das aus eigener Erfahrung bestätigen. Fereshta Hussain floh mit ihren Eltern und zwei Geschwistern als 18-Jährige im Jahr 2000 vor den Taliban aus Afghanistan. 2011 sei sie eingebürgert worden. „Dann konnte ich mich als Frau frei fühlen. Egal was ich anziehe oder welchen Weg ich gehe“, sagt die 40-Jährige. Damals habe es von der Antragstellung bis zur Einbürgerung acht Monate gedauert.

Nach der Antragstellung komme es zu einem Beratungsgespräch. „Doch bis zum Termin dauert es oft mehr als ein Jahr“, sagt Hussain. Bis zur Einbürgerung vergehe weitere Zeit. In der Konsequenz würden Betroffene manchmal wegziehen. Dabei sind sie in Potsdam fest ins Arbeitsleben integriert. Die SPD-Landtagsfraktion hatte sich erst am Donnerstag für eine schnellere Integration ausländischer Fachkräften ausgesprochen. „Davon werden wir alle profitieren“, sagte der Abgeordnete Björn Lüttmann.

„Erst mit der Einbürgerung erhalten sie alle staatsbürgerlichen Rechte“, sagt Stadtsprecherin Juliane Güldner. Die Einbürgerung sei verknüpft mit gesellschaftlicher Zugehörigkeit, Wertschätzung und dem Gefühl, akzeptiert zu werden. Ohne deutschen Pass könnten Betroffene auch ihre Familienangehörigen in der Heimat nicht besuchen, weil sie damit ihren aufenthaltsrechtlichen Status gefährdeten.

Für viele Syrer sei inzwischen klar, dass sie in Deutschland bleiben wollten. „Ihr Zuhause in Syrien ist nicht mehr da, ihre Städte sind zerstört“, sagt Fereshta Hussain. Viele Männer hätten ihre Frauen und Kinder aus der Türkei und Griechenland nachgeholt. Und Jugendliche, die einst kamen, würden jetzt arbeiten und studieren. „Und sie wollen sich einbürgern lassen.“

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