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Von Henri Kramer: Treueschwüre für den Chef

Fraktionssitzung bei Potsdams Linken: Wie sich die Partei kritiklos hinter Hans-Jürgen Scharfenberg schart

Eigentlich soll es eine normale Fraktionssitzung der Potsdamer Linken sein, um die nächste Tagung des Stadtparlaments vorzubereiten. Doch was ist in diesen Tagen für die erfolgsgewöhnte Potsdamer Linke noch normal? Ihr mächtiger Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg steht unter Dauerdruck: Täglich mehren sich die Zweifel, ob der potenzielle Oberbürgermeisterkandidat für Potsdam wirklich offen mit seiner Vergangenheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi umgegangen ist. Das sorgt für Interesse über die Landeshauptstadt hinaus, ein Kamerateam des ZDF filmt die Sitzung.

Doch soll „die aktuelle Diskussion“ zunächst unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ behandelt werden, schlägt Scharfenberg vor. Aber auch hier holt ihn das Stasi-Thema weit schneller ein als gedacht – als der Grünen-Antrag diskutiert werden soll, alle Stadtverordnete erneut auf Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit zu kontrollieren. „Ich empfehle die Zustimmung“, sagt Scharfenberg. Die erhöhte „Sensibilität“ beim Thema Stasi müsse man „zur Kenntnis nehmen“. Und schnell kommt Scharfenberg von dieser Erkenntnis zu seiner möglichen Kandidatur für das Amt des Potsdamer Stadtoberhauptes und der Debatte darum. Er sei „nie besonders mutig“ beim Umgang mit seiner Stasi-Tätigkeit gewesen, räumt er ein. Zugleich sei die aktuelle Diskussion „schwieriger“ als gedacht und „schneller gekommen“ als erwartet. In dieser Situation müsse sich die Partei nun für einen OB-Kandidaten entscheiden. „Ich sehe mich da nicht als alternativlos“, sagt Scharfenberg.

Doch der Chef erhält Treueschwüre. Vor laufender Kamera platzt es aus Herbert Schlomm heraus. Mit der Debatte um Scharfenberg solle ein „aussichtsreicher“ Kandidat „abgeschossen“ werden, ereifert sich der Rentner, um die Wiederwahl des „Spandauer Ostfriesen“ Jann Jakobs (SPD) zu ermöglichen. Schließlich geht Scharfenberg dazwischen: „Ich hoffe, es gibt eine öffentliche Abwägung zwischen meiner IM-Vergangenheit und dem, was in Potsdam in den vergangenen 20 Jahren nachweislich abgelaufen ist.“

Dieses Urteil hat Linke-Geschäftsführerin Sigrid Müller bereits gefällt. Es sei „unseriös“, Ereignisse nach mehr als 15 Jahren neu zu bewerten. Dazu könne sie nicht erkennen, dass die „mediale“ Diskussion irgendeiner Sache diene. Die Landtagsreferentin Karin Schröter dagegen sorgt sich, dass das „öffentliche Pushen“ die Aufarbeitung der Vorwürfe gar behindern könnte. Sowieso sei die Partei in den 90er Jahren „sehr, sehr kritisch“ mit ihrer Vergangenheit umgegangen.

In diesem Stil geht die Sitzung weiter. So klagt Gabriele Herzel über eine „Kampagne gegen Hans-Jürgen“ und ruft die Genossen zum Schulterschluss auf. Man müsse das, so die Pensionärin, nun „gemeinsam durchstehen“. Peter Kaminski als Ortsvorsteher von Groß Glienicke sieht gar den Versuch, Linke-Kandidaten „kaputt zu machen“. Die Gründe dafür glaubt Brigitte Oldenburg zu kennen – „die Schwäche der SPD und die Stärke unserer Partei“. Die Linke solle „geschwächt werden“, so die Rentnerin, mit der Stasi-Debatte „glauben sie nun eine Stelle gefunden zu haben“, dieses Ziel zu erreichen. Dagegen müsse die Linke ihre „Sacharbeit“ setzen, fordert Oldenburg, etwa zur „sozialen Frage“. Die Diskussion um Scharfenberg sei ein „Ablenkungsmanöver“ von anderen Problemen – so sieht es schließlich auch der Eicher Ortsvorsteher Ralf Jäkel. Ein kritisches Wort über die Rolle von Scharfenberg findet keiner der sieben Redner.

Und niemand geht auf die Anmerkungen ein, die Stefan Wollenberg macht. Er gilt als Vertrauter des Parteirebellen Pete Heuer und ist der einzige Fraktionär, der die Klärung aller Vorwürfe gegen Scharfenberg fordert. „Da kommen wir nicht drumherum.“ Zugleich müsse es die Partei vermeiden, die erfolgreiche Kommunalpolitik mit den Stasi-Verstrickungen zu vermengen, warnt Wollenberg. „Das eine lässt sich nicht gegen das andere aufwiegen.“ Der Satz bleibt unkommentiert im Raum stehen.

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