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Landeshauptstadt: Trommeln als Lebensgefühl

Anas Aboubakari will die Kultur seiner Heimat nach Potsdam tragen. Heute eröffnet er einen afrikanischen Laden

Anas Aboubakari will die Kultur seiner Heimat nach Potsdam tragen. Heute eröffnet er einen afrikanischen Laden Von Marion Hartig Er kommt gerade aus Paris, erzählt Anas Aboubakari. Er hat Waren für seinen neuen Laden in der Dortustraße Nummer 59 eingekauft. Stolz holt er die umwickelten Kunsttrophäen aus dem vollbepackten Kleinbus auf dem Parkplatz vor der Tür. Ein Gesicht aus Holz, eine Cora zum Musikmachen, die wie eine überdimensional dickbäuchige Gitarre aussieht. Vorsichtig tasten seine Fingerspitzen über die alte afrikanische Kunst. Seine Augen glänzen. Er hat ein Stück Afrika, ein Stück Heimat, nach Potsdam geholt und fühlt sich sichtlich gut dabei. Anas Aboubakari ist 35, er kommt aus Togo und lebt seit dreieinhalb Jahren in Potsdam, erzählt er und streicht mit einem Pinsel Bienenwachs über helle Regalbretter. Die Wände sind frisch gestrichen, in einem warmen roten Ton, ein blaues Ornamentband zieht sich unter der Decke entlang. Schon seit einiger Zeit trägt er die Idee mit sich herum, einen afrikanischen Laden aufzumachen. Er ist Musiker, spielt Trommel und singt. Immer wieder fragten ihn Freunde und Bekannte nach afrikanischer Kunst, nach Instrumenten und Stoffen, die in Deutschland schwer zu bekommen sind. Da muss was passieren, dachte er sich. Als dann vor eineinhalb Jahren seine halbdeutsche Tochter auf die Welt kam, hatte er einen Grund mehr, seine Pläne umzusetzen. So viel afrikanische Kultur wie möglich will er ihr beibringen. „Ein Kind muss die Identität seines Vaters kennen“, sagt er. Und dazu ist ein Geschäft nach seinen Vorstellungen perfekt geeignet. Sein Laden soll Potsdam um ein Stück Afrika bereichern. Mit afrikanischen Produkten aus Togo, Ghana, Westafrika und der Elfenbeinküste, mit Kunst, Büchern, Alltagswaren, alles handgemacht, natürlich und hundertprozentig afrikanisch. Bei der Industrie- und Handelskammer holte er sich Tipps zur Existenzgründung. Sein Plan war einer Bank gut genug, ihm dafür einen Kredit zu geben. Konkurrenz braucht der Neuunternehmer erst einmal nicht zu fürchten. Auf dem Potsdamer Markt ist seiner der einzige afrikanische Laden. Bis auf den afrikanischen Frisiersalon für Rasterlocken einige Straßen weiter. Mit seinen Plänen im Hinterkopf machte sich der Togolese auf den Weg nach Westafrika und sah sich nach geeigneten Produkten und Produktherstellern um. Er kennt die Familien, die für seinen Laden Lederkissen nähen, bunte Tagesdecken weben, Skulpturen und Schmuck fertigen und Instrumente bauen, erzählt er. Sie geben ihre Waren an Großhändler aus Frankreich, Belgien und Holland weiter und von dort werden sie nach Potsdam gebracht. Einen deutschen Großhändler gibt es nicht, sagt der Ladenbesitzer, der Handel zwischen Afrika und den Nachbarländern funktioniert besser. Zunächst war er naiv und wollte die Kunstwerke und Alltagsdinge direkt von Afrika nach Deutschland bringen. Die riesigen , bis zu einem halben Meter großen Ananas aus Togo, zum Beispiel. Als er sich aber im Dschungel der Handelsbeschränkungen wiederfand, in unzähligen Auflagen und Bergen von Formularen, wurde ihm die Sache schnell zu kompliziert. Und er verzichtete darauf, zehn Riesenananas beim Gesundheitsamt testen zu lassen. Er lacht: Zum Transport allein der Testware hätte er einen Container gebraucht. Statt der Ananas stehen nun in seinen Regalen nur leicht transportierbare Waren, 500 Gramm-Packungen von fair gehandeltem Kaffee und Tee. Und Honig. Warum ist es so schwer, Produkte aus Afrika nach Deutschland zu importieren, regt er sich auf. „Was ist los mit der Globalisierung?“ Der Pinsel taucht in die Dose mit Bienenwachs. Dann ist da noch die Sache mit der Potsdamer Stadtverwaltung. Er hat im Stadthaus angerufen und nach dem Grund für die hohen Gebühren, 128 Euro, gefragt, die er bei der Eröffnungsfeier für das Nutzen von zehn Quadratmetern Bürgersteig zahlen muss – und der Beamte hat einfach den Hörer aufgelegt. „Wo kommen wir denn da hin“, fragt der Ladenbesitzer. Die Verwaltung ist für die Bürger da. So ein Verhalten kann und will er nicht akzeptieren. Anas Aboubakari ist sauer. Er lässt sich nicht so einfach abwürgen und sagt was er denkt. Nicht einmal in Togo hat er sich das Wort verbieten lassen. Dreimal saß er deshalb im Knast, einmal wurde er angeschossen, bevor er 1993 nach Deutschland flüchtete. Er rattert die Geschichte herunter. Schon oft ist er danach gefragt worden. Er redet lieber über die Eröffnungsparty am heutigen Sonnabend mit Trommelkonzert, Leckereien und netten Gesprächen. Er stellt sich ein Fest vor, wie er es oft im Hinterhof seines Hauses feiert. Freunde, gutes Essen und Musik, das braucht er, um sich wohlzufühlen. Und warmes Wetter, sonst klingen die Trommeln nicht gut. Ihr Klang ist ihm wichtig. Die Trommel ist Teil seines Lebens, mit ihr drückt er Lachen, Freude und Schmerz aus. Am Ladenfenster hinter ihm kleben große Bilder von seinem letzten Besuch in Afrika. Frauen tragen große runde Kalabasse auf den Köpfen, geschminkte Männer mit Hut tanzen, wie es die Tradition will, erklärt er. Einmal im Jahr machen sie sich für ihre Frauen schön. Er hat die Bilder auf dem Lande fotografiert. In der Stadt gehören solche Szenen zur afrikanischen Geschichte.

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