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Diese illegale Aufnahme von Silvio S. sorgte dafür, dass er überführt werden konnte.

© dpa

Datenschutz und die Fälle Elias und Mohamed: Umstrittene Bilder von Silvio S.

Das Video, das den mutmaßlichen Mörder von Mohamed und Elias überführte, entstand illegal und verstieß gegen den Datenschutz. Jetzt wird in Brandenburg und Berlin über Konsequenzen diskutiert.

Von
  • Matthias Matern
  • Ronja Ringelstein

Berlin/Potsdam - Sie lieferten den entscheidenden Hinweis zur Überführung von Silvio S. – und sind demnächst wohl auch Thema im Berliner Abgeordnetenhaus: Aufnahmen einer Sicherheitskamera an einem Lokal in der Bugenhagenstraße in Moabit. Die Videosequenzen zeigten den Kindesentführer so deutlich, dass seine Eltern ihn erkannten und die Polizei informierten. Da der Wirt des Lokales nicht nur den Eingang seines Ladens, sondern auch den Bürgersteig davor gefilmt hatte, verstieß er damit aber gegen das geltende Datenschutzgesetz. Denn jeder soll sich im öffentlichen Raum bewegen können, ohne dabei gefilmt und überwacht zu werden.

„Ohne diese Aufnahmen wäre heute nichts geklärt“, sagte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Experten sind der Meinung, dass Silvio S. womöglich weitere Kinder getötet hätte, wenn er nicht gefasst worden wäre. Der Wirt habe in diesem Fall auch nicht mit etwaigen Konsequenzen, etwa einer Geldbuße, zu rechnen, wurde auf der Pressekonferenz am Freitag zum Mord an den Kindern Elias und Mohamed klargestellt.

Datenschutz müsse gewährleistet werden

Die Frage kam auf, da offenbar eine Privatperson eine Beschwerde gegen den Wirt eingelegt hat, wie der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix am Mittwoch mitgeteilt hatte. „Wir werden das prüfen“, sagte Dix. Es dürfe nur dann gefilmt werden, wenn ein „berechtigtes Interesse“ an der Überwachung besteht, wenn öffentlich darauf hingewiesen wird und wenn die Daten täglich gelöscht werden.

Hakan Tas, sicherheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist sicher, dass das Thema erneut im Innenausschuss diskutiert werden wird. Er sei „kein Freund der Totalüberwachung“. Der Datenschutz müsse gewahrt bleiben. Allerdings müsste es in Einzelfällen stärkere Überwachung geben. Bei Ballungszentren wie dem Landesamt für Gesundheit- und Soziales (Lageso) in Moabit oder Flüchtlingsheimen müssten zumindest die Eingangsbereiche besser überwacht werden. Allerdings durch Wachpersonal, nicht Kameras.

Juhnke (CDU): Schlagender Beweis, dass Videoüberwachung was bringt

Robbin Juhnke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht in dem aktuellen Fall einen „schlagenden Beweis, dass Videoüberwachung etwas bringt“. Die Überwachung solle „maßvoll ausgeweitet“ werden, etwa an besonders gefährdeten Orten. Die rechtlichen Bedingungen, um auf dem Gelände des Lageso filmen zu können, bestehen schon. Das erste veröffentlichte Video, das Silvio S. zeigte, wie er Mohamed an der Hand vom Gelände führte, stammte von einer Sicherheitskamera. Doch die Qualität war viel schlechter.

Auch Tom Schreiber, Sprecher der SPD-Fraktion für Verfassungsschutz, befürwortet eine Ausweitung der Kameraüberwachung an gewissen Orten: „Man sollte bei Flüchtlingsunterkünften, wo es vermehrt zu Brandanschlägen gekommen ist, eine Außenüberwachung durch Kameras prüfen“, sagte Schreiber, dessen Meinung aber nicht von der Mehrheit seiner Partei geteilt wird. Das würde erheblich zur Täterüberführung beitragen können. Es wäre zudem ein „schlimmes Zeichen“, wenn der Wirt, der das entscheidende Video anfertigte, eine Strafe zahlen müsste, meint Schreiber.

Pirat Lauer: Dadurch werden Straftaten nicht verhindert

Für Christopher Lauer, innenpolitischer Sprecher der Piraten (parteilos), ist der Verstoß gegen den Datenschutz nicht zu entschuldigen. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, sagt er. „Eine Videoaufnahme wird nie dazu führen, Straftaten zu verhindern.“

In Brandenburgs hält man eine Diskussion über mehr Videoüberwachung für durchaus sinnvoll. „Man kann über solche Fragen diskutieren, aber nicht so kurz nach so einem schrecklichen Verbrechen. Aber man muss diese Diskussion mit Bedacht führen“, sagte der Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, Ingo Decker, am Sonntag den PNN. Die Frage sei doch, wo man überall Videoüberwachung haben wolle. In London etwa könne man kaum noch durch die Stadt laufen, ohne durch eine Kamera erfasst zu werden, so Decker. Vorstellbar sei dagegen eine Ausweitung an bestimmten U- und S-Bahnhöfen.

Keine flächendeckende Videoüberwachung in Brandenburg

Eine Videoüberwachung von Spielplätzen, Kitas und Schulen kann sich Brandenburgs Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster, nicht vorstellen. Kameras vor Flüchtlingsunterkünften und Asylbewerberheimen hält er aber für unabdingbar. „Dort haben wir Probleme, die allein mit personellen Mitteln nicht zu bewältigen sind“, sagte Schuster vor dem Hintergrund der jüngsten Brandanschläge auf Einrichtungen in Brandenburg und Ausschreitungen in Cottbus vor gut einer Woche.

Allerdings müsse eine Erweiterung der Videoüberwachung im Land maßvoll erfolgen, so der GdP-Landeschef. Eine flächendeckende Überwachung wie in London, wo rund 200 000 Kameras installiert seien, sei in Brandenburg „weder personell noch finanziell“ zu stemmen. 

Für Elias und Mohamed gibt es nun ein Kondolenzbuch online. Hier geht es zum Link >>

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