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Landeshauptstadt: Unter Schwarzlicht betrachtet

Etwa 1000 Potsdamer Kinder besuchen noch bis morgen die Schülergesundheitstage im Treffpunkt Freizeit. Dabei geht es um Ernährung, Körper- und Umweltbewusstsein

Wer in der fünften Klasse ist, kann schon selber kochen oder zumindest dabei helfen. Caven zum Beispiel schnippelt zu Hause Gemüse oder wäscht ab, sein Klassenkumpel kann schon allein Rührei zubereiten. Die Jungs aus der Max-Dortu-Schule besuchten am gestrigen Dienstag die Schülergesundheitstage im Treffpunkt Freizeit. Am Stand der Biosphäre konnten sie Kräfte walten lassen und Gewürze zermörsern, die sie anschließend in ein Glasröhrchen füllten und nach Hause nehmen konnten – zum Kochen oder als Erinnerung an den Tag, als es auch um gesunde Ernährung ging.

Zum 21. Mal findet derzeit diese Veranstaltung in Potsdam statt, 34 Vereine, Einrichtungen und Institutionen der Gesundheitsbranche im weitesten Sinne beteiligen sich. Es geht um Ernährung und Körperpflege, Sport, Erste Hilfe und Zahngesundheit, Verkehrserziehung, Umweltaspekte, Sexualität, Verhütung und Suchtprävention. Auch Mobbing und Toleranz sind Themen: Vor dem Haus kann man probieren, wie man sich in einem Rollstuhl bewegt – anstrengender als gedacht, aber eigentlich auch cool, so das Fazit eines Test-Rollifahrers. Seit einigen Jahren beteiligt sich außerdem die Björn-Schulz-Stiftung an den Gesundheitstagen: Gespräche zum Thema Tod und Sterben seien vor allem von den älteren Schülern sehr nachgefragt.

Um sich optimal auf die Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen einzustellen, ist der erste Tag für Kitakinder und Grundschüler gedacht, am heutigen Mittwoch sind ältere Grundschüler und am Tag drei Schüler der Sekundarstufe eins dran. Insgesamt etwa 1000 Schüler werden erwartet. Mit Laufzetteln arbeiten sie sich von Stand zu Stand, lösen Rätsel, schnuppern an Kräutern und Gewürzen, fertigen Buttons an, lernen, wie man sich gegenseitig mit einer Samurai-Massage nach Shiatsu in der kleinen Pause wieder fit und wach macht. Wer genügend Stempel gesammelt hat, bekommt ein gesundes Quarkschnittchen, zubereitet von Schülern des Oberstufenzentrums.

Der Effekt solcher Aktionen ist schwer messbar – aber er sei da, sagten gestern Lehrerinnen der Grundschule am Humboldtring. Natürlich werde auch in der Schule über gesunde Ernährung und Bewegung gesprochen. Aber ein anderer Lernort ist immer gut, da bleibe viel mehr hängen. In der Schule wird der Besuch der Gesundheitstage später ausgewertet. Dabei beobachten die Lehrerinnen nach wie vor eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. „Die Kinder wissen ganz genau, wie gesunde Ernährung aussieht. Aber dann gibts zum Frühstück eben doch Schokoriegel und Kuchen vom Bäcker“, sagte Lehrerin Ilona Scholta.

Wichtiger wäre deshalb ausreichende Bewegung. Doch das ist das zweite Problem, das nicht nur Potsdamer Kinder betrifft. Es scheint ein Generationenproblem zu sein. „Einfach mal raus gehen und frei spielen – das tun heute die wenigsten“, sagte Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos), die gestern zur Eröffnung kam. Stattdessen sei in vielen Familien die Freizeit durchorganisiert.

Die Eltern müssen bei der Gesundheitserziehung idealerweise mit ins Boot. Wie es diesbezüglich um die Kinder in Potsdamer Familien steht, soll auch der Gesundheitsatlas aufzeigen. Dazu werden Daten der Reihen- und Schuluntersuchungen ausgewertet. Erstmals geschah das 2013. In der Auswertung zeigten sich stadträumliche Unterschiede. Kinder aus den Neubaugebieten Am Schlaatz und Drewitz entwickeln demnach viel häufiger Sprachdefizite; Kinder aus finanziell bessergestellten Familien wie der Brandenburger Vorstadt wiesen einen vergleichsweise niedrigen Impfstatus auf. Vor diesem Hintergrund gelte es, die Angebote der Gesundheitsförderung den jeweiligen stadträumlichen Besonderheiten anzupassen, heißt es dazu von der Stadt. Nun soll laut Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im April der Gesundheitsatlas fortgeschrieben und dabei auch die Befunde des zahnärztlichen Dienstes berücksichtigt werden. Im November 2016 sollen die neuen Daten zur Verfügung stehen.

Das Thema Zahngesundheit spielt auch bei den Gesundheitstagen eine Rolle. Gerhard Bundschuh von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Land Brandenburg beobachtet in Sachen Zähne eine allgemeine Verbesserung. „Die Kinder wissen gut Bescheid, wir nehmen in den vergangenen zehn Jahren einen rapiden Rückgang der Kariesfälle wahr“, sagte er gestern. Wie gut die Kinder in der Praxis sind, konnten sie bei einem Plaque-Test am Stand des Potsdamer Gesundheitsamts feststellen. Hier gab es zunächst einen Tropfen phosphorisierende Flüssigkeit auf die Zunge. In einem Zelt, nur mit Schwarzlicht ausgeleuchtet, offenbarte sich an den Zähnen dann all das, was man mit der Bürste nicht erwischt hatte. Das Ergebnis sei eher ernüchternd, so eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamts. „Das, was wir unter Schwarzlicht sehen, ist längst nicht alles nur von heute früh.“ Zwar wurden die Kinder anschließend mit Bürsten und Becher zum Zähneputzen geschickt, aber für eine zweite Auswertung unter Schwarzlicht reichte die Zeit nicht. Zwei Mitarbeiterinnen seien zu wenig für die vielen Kinder. „Wir müssten ihnen eigentlich direkt beim Putzen die richtige Technik zeigen können.“ Steffi Pyanoe

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