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Landeshauptstadt: Wahlkampf wider Willen

Ministerpräsident Matthias Platzeck diskutierte gestern mit Leibniz-Gymnasiasten

Ministerpräsident Matthias Platzeck diskutierte gestern mit Leibniz-Gymnasiasten Von Henri Kramer Matthias Platzecks erster Bundestags-Wahlkampftermin vor jungen Leuten war eigentlich nicht als solcher geplant. Die Diskussions-Doppelstunde des Ministerpräsidenten im Leibniz-Gymnasium in der Galileistraße stand schon Wochen vor dem Neuwahlen-Beschluss fest. Doch jetzt muss der entspannt wirkende Platzeck den rund hundert 100 Schülern der zwölften Klassenstufe Fragen wie „Welche Auswirkungen hat der Wahlkampf auf die große Koalition in Brandenburg?“ oder „Warum sollten wir SPD wählen?“ beantworten. Platzeck gibt sich offen, blickt den fragenen Schülern bei seinen Antworten ins Gesicht. „Der Wahlkampf wird heftig“, sagt er. Doch gleichzeitig glaubt er, dass seine Koalition wie bei der Bundestagswahl 2002 die Belastungsprobe überstehen werde. Und Platzeck räumt auch Fehler ein, die seit 1999 gemacht worden seien. „Die rot-grüne Koalition hat jedoch eine offenere und tolerante Gesellschaft geschaffen“, sagt er und verweist auf unterschiedliche Gesellschaftsbilder bei SPD und CDU. Er betont weitere Unterschiede zwischen den großen Parteien: Da soziale Demokratie mit Mitbestimmungsrecht in den Betrieben und Kündigungsschutz, dort die Abschaffung solcher Errungenschaften; da Deutschland als Friedensmacht, dort Deutschland mit Soldaten im Irak. „Ich bin aber gegen einen Lagerwahlkampf.“ Die Gymnasiasten hören aufmerksam zu, kaum jemand quatscht. Nach jeder Antwort melden sich gleich Schüler mit neuen Fragen. Nach der aktuellen Bundespolitik springt man zwischen den Themen. „Wozu ist ein Stadtschloss nötig?“, fragt eine Lehrerin. Platzeck spricht von der Wiederherstellung der Innenstadt. „Die Potsdamer Mitte sieht arschlos aus“, sagt er. Es müsse der Versuch unternommen werden, eines der weltschönsten Stadtzentren wieder aufzubauen. Zudem benötige das Parlament dringend ein repräsentatives Gebäude, Brandenburg habe damit länger als alle anderen Bundesländer gewartet, viele Kreisverwaltungen hätten schönere Häuser als die „Bruchbude“ auf dem Brauhausberg. „Irgendwann schämt man sich, der Bürger soll auch stolz auf seine demokratischen Häuser sein“, sagt Platzeck. Auch bei einem anderen Aufregerthema weiß Platzeck eine Antwort: „Warum muss ein Brasilianer ein Bad in Potsdam bauen, warum kein Architekt aus der Region?“ Platzeck argumentiert, dass wegen des Niemeyer-Baus mehr Touristen in die Stadt kämen, da er der weltbekannteste Architekt sei. „Da ist es fast egal, ob der Entwurf gelingt oder nicht, wenn das Markenzeichen Niemeyer darüber steht“, flachst Platzeck. Nach 90 Minuten ist das Frage-Antwort-Spiel beendet, die Schüler klatschen. „Ich denke, er hat uns ernst genommen und uns viele Zusammenhänge klar gemacht“, sagt Schüler Robert Scholz. Der stellvertretende Schulleiter Uwe Sommerfeld erklärt, wie nun mit der Diskussion umgegangen wird: „Wir werden das in Geschichte auswerten müssen – denn leider wurde vom Land der Politikunterricht als Pflichtfach abgeschafft.“

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