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Altes Rathaus Potsdam, Alter Markt, Wappentier Adler am historischen Gebäude

© Andreas Klaer / PNN

Warum ist der Adler grün?: Rätselraten um das Wappentier am Potsdamer Alten Rathaus

Das Gebäude am Alten Markt trägt das märkische Wappen an der Fassade: Aber das Tier ist nicht rot, sondern grün. Der Potsdamer Wolfgang Mörtl machte sich auf Spurensuche.

Steige hoch, Du roter Adler, über Sumpf und Sand: So heißt es in Brandenburgs inoffizieller Landeshymne. Wer aber den Blick auf dem Alten Markt an der Fassade des Alten Rathauses nach oben schweifen lässt, sieht dort einen grünen Adler. Seit Wolfgang Mörtl, dem Potsdamer Hobbyhistoriker, Wanderfreund und Autor des beliebten „Bergführer Potsdam“, die falsche Farbe aufgefallen ist, lässt ihn die Frage nicht mehr los. Warum ist das märkische Wappentier, um dessen richtige Farbe bei der Eröffnung des Brandenburger Landtags vor zehn Jahren erbittert gestritten wurde, nun direkt gegenüber und an so prominenter Stelle grün?

Wolfgang Mörtl vor dem Alten Rathaus in Potsdam.

© Andreas Klaer / PNN

Mörtl nimmt es als pensionierter Mathematiker genau - und machte sich auf Spurensuche. Mehrere Monate lang recherchierte der 73-Jährige unter anderem im Potsdam Museum, Archiven und Büchern. Er kontaktierte Potsdam-Experten, Restauratoren und andere Verantwortliche, um zu rekonstruieren, was es mit dem Grünschnabel auf sich hat.

„Ich fand heraus, dass neben der Blickrichtung des Adlers und der Untergrundfarbe auch die Farbe im Laufe der Zeit einige Male wechselte, und zwar zwischen rot und schwarz“, berichtet er den PNN. Als Residenzstadt habe Potsdam ab 1660 den roten märkischen Adler im Wappen getragen, zwischen 1701 und 1806 dann den schwarzen preußischen Adler. Kurz vor der Jahrhundertwende wurde der nach links sehende Adler mit der fünfzackigen Mauerkrone verbindlich, wie er bis heute - allerdings neu gestaltet von Werner Nerlich - das Stadtwappen ziert.

Der Adler war erst rot, seit der NS-Zeit schwarz

Der Adler am Alten Rathaus blickt wie der märkische Adler im brandenburgischen Landeswappen in die entgegengesetzte Richtung. Auf dem im Potsdam Museum befindlichen Ölgemälde „Alter Markt in Potsdam mit dem Rathaus“ von Erich Kips von 1907 war der Vogel noch rot, berichtet Mörtl. Auch auf dem heute im Foyer des Stadthauses hängenden Ölgemälde „Alter Markt“ von Anna und Wilhelm Thiele aus dem Jahr 1931 ist er rot.

Das Wappentier muss während der NS-Zeit schwarz geworden sein, sagt Mörtl. In dem Fotoband „Potsdam: Stadt und Gärten in alten Farbdias der 30er und 40er“ fand er Abbildungen von 1941 und eine von 1945 - vor der Zerstörung - mit schwarzem Adler. Schwarz sollte er auch nach dem Krieg bleiben, wie Mörtl dem Titelbild der Blattsammlung „Das alte Potsdam heute“ von 1983 entnimmt.

Wann also ist der Vogel ergrünt? Mörtls Recherchen verweisen auf eine Restaurierung im Jahr 2005. Damals wurde zwar die Sandsteinkrone über dem Wappen vergoldet und die stumpf gewordene Vergoldung des aus Kupferblech bestehenden Wappenschildes überarbeitet, nicht aber das Wappentier selbst. „So blieb das Kupferblech ohne Farbe und hat sich mit der Zeit patiniert, ist also grün geworden“, vermutet der Hobbyhistoriker.

Behördenpingpong zwischen Stadt und Land

Doch wieso entschied man sich gegen einen neuen Farbanstrich - und wie stehen die Chancen, dass der märkische Adler in Zukunft wieder rot wird? Eine PNN-Anfrage bei der Stadt läuft zunächst ins Leere. Rathaussprecher Markus Klier verweist auf die letzte Sanierung in den Jahren 2008/09, bei der man zwar mit dem Landesdenkmalamt „alle Farben an der Außenhülle“ festgelegt habe. Der Adler war davon aber ausgenommen - wegen der besagten Restaurierung 2005.

Beim Landesdenkmalamt verweist man zurück auf die Stadt: Das restauratorische Gutachten aus der Zeit der letzten Sanierung liege nicht vor, weil „vereinbart wurde, die Vorgänge in der Potsdamer Stadtverwaltung zu archivieren“, erklärt Sprecher Christof Krauskopf. Tatsächlich findet die Stadt schließlich das Gutachten. Die Materialoberfläche des Adlers, erklärt Stadtsprecher Markus Klier nun, war zum Zeitpunkt der Restaurierung schwarz-anthrazitfarben korrodiert - die dunkle Farbe war also gar kein eigener Anstrich.

Der grüne Adler ist an prominenter Stelle an der Fassade des Potsdam-Museums zu sehen.

© Andreas Klaer / PNN

Der Kontrast zwischen schwarzem Adler und neu vergoldetem Hintergrund hätten aber „damals bereits einen ausreichenden gestalterischen Gegensatz“ gebildet, „um den Adler in seiner Plastizität (getriebenes Kupferblech) wirken zu lassen“, erklärt der Stadtsprecher weiter. Es gab also keine neue Farbe, weil man mit dem Istzustand - damals in schwarz - zufrieden war. Mörtl überzeugt diese Erklärung nicht. Er verweist auf ein Foto von 2004 aus dem Gutachten - mit bereits grünem Adler.

Kostengründe hätten bei dieser Farb-Entscheidung keine Rolle gespielt, erklärt Klier. Die Kosten könnten überhaupt erst benannt werden, wenn man sich für eine Instandsetzung entscheide und diese dann mit der Denkmalpflege abstimme.

Pläne dafür hat der Kommunale Immobilien Service (KIS) derzeit nicht, so der Stadtsprecher. Sollte der Schmuck an der Fassade des Alten Rathauses aber sichtbare Schäden aufweisen, müssten die erforderlichen Reparaturarbeiten zeitnah erfolgen. Dann wäre auch die Farbfrage wieder auf dem Tisch.

Aus Sicht der Landesdenkmalpflege ist ein späterer Farbanstrich ebenfalls nicht ausgeschlossen. Eine erneute Untersuchung könne ja zu neuen Erkenntnissen führen, sagt Behördensprecher Krauskopf. „Bei klarer Befundlage könnte der Adler also durchaus farblich gefasst werden.“

Wolfgang Mörtl würde sich wünschen, dass das Wappentier wieder zu seiner richtigen Farbe kommt. Für den grünen Vogel gebe es keine heraldische Begründung, sagt er. Und das Alte Rathaus stehe auch „nicht gerade am Rande der Stadt“. Unzählige Fußgänger und Touristen kämen jeden Tag vorbei. Dass die Farbe falsch ist, falle den allermeisten nicht einmal als Fehler auf.

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