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Kultur: Ausgesetzt, verachtet, gefressen

Geschichten aus der Vor-Harry-Potter-Zeit: Die neue Ausstellung im Filmmuseum „Märchenland Babelsberg“ dreht sich um DEFA-Kinderfilme

Geschichten aus der Vor-Harry-Potter-Zeit: Die neue Ausstellung im Filmmuseum „Märchenland Babelsberg“ dreht sich um DEFA-Kinderfilme Von Marion Hartig Sie haben es nicht leicht. Schneewittchen und Rotkäppchen, der kleine Muck und Aschenbrödel. Allein gelassen in der Welt, im großen dunklen Wald, eingesperrt im der Dachkammer, tyrannisiert von der bösen Stiefmutter, bedroht vom gefährlichen Wolf. Doch sie geben nicht auf – und irgendwann kriegen sie die Kurve, schaffen es durch den Wald, lassen Stiefmütter und Wölfe hinter sich. Um dann doch noch ihr Glück zu finden. Als wachgeküsste Prinzessin oder glücklicher Muck. Nach diesem Prinzip funktionieren Märchen gewöhnlich. Und auch die neue Ausstellung im Filmmuseum „Märchenland Babelsberg“, die morgen eröffnet und bis zum 17. April 2006 gezeigt wird, ist nach diesem Schema aufgebaut. Die aufwändig gestaltete Präsentation beginnt mit den kleinen Herkunfts-Häuschen der Helden, das Zuhause von „König Drosselbart“, „Schneewittchen“ und „Aschenbrödel“. Die offenen Bauten sind wie die Märchen-Tatorte gestaltet und entführen mit Bildern, Texten, Hörproben, Büchern und Filmausschnitten in die fantastischen Welten. Dann der große dunkle Wald und zum Schluss: das goldene, pompöse Königreich-Zimmer. Auf sieben Film-Märchen nach den Gebrüdern Grimm, Hans Christian Andersen und Wilhelm Hauff konzentriert sich die Ausstellung, erklärt Kuratorin und Filmmuseums-Mitarbeiterin Ulga Gräf. Sie hat möglichst einfach erzählte, klassische Geschichten zusammengestellt, die Schau ist konzipiert für Kinder von fünf bis zehn Jahren. Sie sollen hier inmitten der Bilder und Klänge Märchen erleben, rund um die DEFA-Filme, die über den Raum verteilt über die Bildschirme laufen. Das dürfte auch gut funktionieren. Allerdings erst, wenn die Kinder die kleinen Helden-Häuschen hinter sich gelassen haben. Die zahlreichen Texte an den Bildtafeln werden sie wohl wenig interessieren. Der Wald hingegen und auch das Königreich-Zimmer entführen in eine spannende Märchenwelt – und machen Lust auf Erkundungen. Auch viele Erwachsene wird die Präsentation ansprechen, finden sie doch ein Stück DEFA-Geschichte in den Filmen wieder, bekannte Schauspielergesichter, berühmte Szenen und Musik, mit der viele von ihnen aufgewachsen sind. Mittelpunkt der Schau ist der beeindruckend gebaute Wald. Durch ihn werden auch die an Fernsehattraktionen gewöhnten, coolsten Kinder nicht unberührt hindurchspazieren. 150 echte Rubinen-Bäume haben die Ausstellungsmacher in das Museum geholt. Im schummrigen Licht verteilen sie sich auf dem dunkelroten Teppich. Wer vom Weg abkommt, landet auf weichem, nachgiebigen Boden. Schön darüber hinaus das Zwergenhaus-Interieur mit den sieben kleinen Stühlen an dem kleinen Tisch, den Betten und den an einer Leine baumelnden Hosen. Schön gemacht auch die in offene Bäume gehängten Bild- und Texttafeln, die die dunklen Phasen der Märchen, die Szenen, in denen es den Helden an den Kragen geht, erzählen. Die Erlösung kommt dann am Ende des Waldes hinter dem goldenen Vorhang. „Märchen sind aktuell wie lange nicht“, sagt die Kuratorin. Märchenfilme, DEFA-Streifen auf Video seien ein Verkaufsschlager. Sie stehen in keiner Konkurrenz zu Harry Potter oder Herr der Ringe, findet Ulga Gräf. Denn sie sind für jüngere Kinder gedacht, die anfangen sich in der Welt zu orientieren, die beginnen gut und böse zu unterscheiden. Bei Harry Potter sind die Charaktere differenzierter, die Guten auch mal böse. Das ist dann der nächste literarische Schritt. Pädagogisch will sie die Schau indes nicht verstanden wissen. Die Kinder sollen vor allem Spaß haben, vielleicht das eine oder andere Märchen besser kennen lernen, aber vor allem und ein optimistisches Gefühl mit hinaus nehmen. Denn: Zum Schluss geht immer alles irgendwie gut aus.

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