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Kultur: Bewegter Mensch

Die Produzentengalerie M ist ins Luisenforum gezogen und eröffnet mit einer spannenden Ausstellung

Willi ist ein Mann der Tat, voller Energie, innovativ und zielorientiert. Das kann man an seinem nach vorn gerichteten Blick sehen und an dem www, das auf seiner globalisierten Brust prangt. Dazu der Laufschritt, mit dem der Haarlose energisch voran schreitet. Die Skulptur „Willi walkt wieder“, die ab heute in der neuen Produzentengalerie M des brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler (BVBK) steht, ist, ganz klar, das Abbild des modernen Menschen: so wie er sein sollte. Nur das Material, aus dem der 1949 in Solingen geborene, brandenburgische Künstler Michael M. Heyers seinen Idealmenschen geschaffen hat, will nicht so recht passen. Willi ist aus hellem, weichen Lindenholz. Ironie der Kunst. Und, wenn man ihn genau betrachtet, dann wirkt er doch auch etwas behäbig, guckt nicht links, nicht rechts, und scheint wie ein künstliches Mustermännchen aus Orwellscher Zukunft.

Bewegung ist das Thema der ersten Ausstellung, die der BVBK nun im Luisenforum in der Herrmann-Elflein- Straße zeigt. Das Thema knüpft auch an den Umzug des Vereins an, sagt Marianne Gielen vom Vorstand. Der BVBK hat sich mehr oder weniger unfreiwillig bewegt. Angestoßen von einem äußerlichen Druck. Die Räume im Holländischen Viertel waren nicht mehr finanzierbar.

Aber die Bewegung hat sich durchaus gelohnt: Der neue Standort in der City dürfte neue Besucher anziehen. Und die neue Galerie ist viel heller als die in der Mittelstraße. Mit ihrer offenen Raumteilung lädt sie zum übersichtlichen Kunstgenießen ein.

Jedes Werk hat seinen Platz, kann seine Wirkung entfalten: Die im Wind der Tür leicht bewegte Papierkleid-Installation von Edith Wittich vor dem Fenster, das Tanzperformance-Video von Rose Schulze, die schönen Wandmännchen von Bettina Schilling, die Collagen an den Wänden, die Skulpturen in den Ecken. Und das Diptychon „Silent ships of heaven“ von Marianne Gielen. Die Collagen entstanden 2004 bei einem Atelierstipendium der Sanskriti Foundation in Neu Delhi in der Auseinandersetzung mit Wolkengedichten von Hermann Hesse. In Indien wird der Schriftsteller heute noch viel gelesen, sagt die Künstlerin. Seine Wolken hat sie durch orangebraune Drachen aus feinem, mit Blumen und Mustern bedruckten Papier ersetzt. Wie bei Hesse die Wolken, segeln die Drachen auf ihren Bildern leicht im Wind, umgeben von hellem, feinen Bunt, die wie Fäden von Luftballons von oben nach unten fallen. Die „Himmelsschiffe“ wenden sich einander zu, voneinander ab. Orientierungslos. Auf der Suche. Es bleibt eine unbestimmte Sehnsucht. In dem Gedicht und in der Kunst.

Wind und Bewegung kommen auch bei der Potsdamer Künstlerin Beret Haman zusammen. Ihre rottönige Collage „Requiem für Johannes Paul II. Medialer Endpunkt eines Medienpapstes“ zeigt im Mittelpunkt ganz groß katholische Geistliche am Sarg. Um den rechteckigen Raum herum, der gut für einen Fernsehbildschirm stehen könnte, lässt sie Ordensträger um das Bild pilgern. Schemenhaft, mit Gewändern, die sich im unsichtbaren Sturm aufbäumen. Die katholische Welt ist in Bewegung. Der Künstlerin gelang eine sehr ästhetische Arbeit.

Viel direkter und weniger ernsthaft klettern die rennenden Figuren von Bettina Schilling über die Wand. Sie hat einen athletischen Läufer in Rot kreiiert und einen braune Figur, die zum Schuss ausholt. Sehr schön auch die ineinander verwobenen runden Frauenkörper. Der eine dem anderen gegenübergesetzt, wie ein spiegelverkehrter Schatten.

Schön und unschuldig, und gerade deshalb offensichtlich spöttisch, visualisiert der Künstler Horst-Werner Schneider die sich immer schneller drehende, globalisierte Welt. Seine Arbeit „in paradiso.com“ besteht aus einer Scheibe, die leuchtet wie ein türkisblaues Meer. Darauf hat er bunte Postkartenlandschaften geklebt, Rosen, Blumenmuster, Berge und Täler. Alles schön. Alles erreichbar. So sieht sie nicht aus, unsere Welt, die alles andere ist als ein Paradies.

Kunst in Bewegung, die Räume durchschreitet, schwerfällig oder leicht, die immer verändert. Selbst den Scheuklappen–Walker Willi bringt sie an einen anderen Ort. Mal ist sie Fortschritt, mal führt sie dorthin, wo man lieber nicht bleibt. Eine sehr vielfältige und sehr sehenswerte Ausstellung gegen Stillstand.

Herrmann-Elflein-Straße 18, Vernissage heute um 16 Uhr

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