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Mit „Die Architekten“ kam für Thomas Knauff der Durchbruch. Die Geschichte einer großen Illusion in der DDR, hier Daniel Brenner (Kurt Naumann), der seine Tochter Johanna (Judith Richter) verabschiedet, die mit ihrer Mutter Wanda, Daniels Exfrau, in den Westen ausreist.

© Christa Köfer/Progress Film-Verleih

Kultur: Bewusste Entmutigung

Drehbuchautor Thomas Knauf stellt im Filmmuseum seine „Babelsberg-Storys“ vor

Thomas Knauf mag klare Worte. Vor allem was die Defa, das volkseigene Filmunternehmen der DDR anbelangt. „Jeder, der in all den Jahren auf der Babelsberger Staatsjacht anheuerte, muss sich heute fragen, warum er sich einspannen ließ in das kulturpolitische Joch des Kleinen Steuermanns Erich, der ein Dachdecker aus dem Saarland war und am liebsten Pornofilme sah“, schreibt er in seinem Buch „Babelsberg-Storys“, aus dem er am Donnerstag, dem 19. Januar um 20 Uhr im Filmmuseum liest. Der Drehbuchautor möchte mit seinen erfahrungsgesättigten Ratschlägen junge Kollegen „bewusst entmutigen, damit sie ihre naiven Illusionen verlieren und keine elenden Sklaven des Filmgewerbes werden“.

Auch Knauf, Jahrgang 1951, ließ sich einspannen. Er arbeitete in den 80er Jahren als festangestellter Drehbuchautor bei der Defa und wurde einer der „nützlichen Idioten“, wie Lenin sie nannte, mit dem Willen zur Kunst. So wie fast jeder Absolvent der idyllisch gelegenen Babelsberger Filmhochschule trat auch er mit dem Wunsch in die geheiligten Defa-Hallen ein, um etwas „Säure auf das polierte Gruppenporträt des ,real existierenden Sozialismus’ zu spritzen.“ Er tadele niemanden dafür, dass er vom Bilderstürmer zum -tüncher wurde. „Einige tauchten freiwillig die salzige Brühe ihrer stalinistischen Jugend in Zuckerguss und wunderten sich, dass ihre Filme ungenießbar waren.“ Thomas Knauf ein Nestbeschmutzer? Nein. Denn auch er bekennt sich zu Vereinnahmungen, entschärfte auf Geheiß der Partei sein Drehbuch für den Film „Rabenvater“ über einen Bauskandal in Halle, der schließlich zu Recht floppte.

Seine Defa-Ausbeute: Neun Jahre mit einem Dutzend vergeblicher Filmstoffe und zwei Kinopremieren. „Nur bei der Defa wurde man dafür bezahlt, so wenig wie möglich zu schreiben.“ Kurz bevor er das Handtuch werfen wollte, gelang ihm doch noch der Durchbruch: „Die Architekten“. Als dieser 1990 preisgekrönte Film über die fehlgeschlagene Chance eines mit menschlichem Maß gemessenen Neubaugebietes in die DDR-Kinos kam, wollte ihn niemand mehr sehen. Die neuesten Hollywood-Produktionen liefen inzwischen dem gemeinsam mit Regisseur Peter Kahane entwickelten Streifen den Rang ab. 1990 ging Thomas Knauf in die USA. Er lebte zusammen mit Performance-Künstlerin Laurie Anderson, ging mit Arthur Miller essen, fuhr mit Cops in der Bronx Streife – nur der berufliche Erfolg blieb aus. Also kehrte er nach Berlin zurück.

In einer erfrischend unterhaltsamen Sprache, mal selbstkritisch, mal eitel, erzählt Knauf nicht nur Insidern von seinen Höhen und Tiefen im Filmgeschäft, ohne sich dabei anzubiedern. „Was allen gefällt, kann nichts Diskutables mitteilen“, so seine Prämisse.

Er tut in dem Buch das, was jeder gute Drehbuchautor am besten kann und am liebsten tut, Geschichten erzählen. Wie die über seine Begegnung mit dem DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf, den er nach der Wende auf der weißen Couch in dessen Berliner Wohnung für eine Serie über Ost-West-Spionage befragte. „Wolf hatte eine unwiderstehliche Autorität, die ohne Abzeichen und bedrohliches Gehabe auskam.“ Knauf, der als junger Mann eine Anwerbung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit den Worten abwehrte: er sei ein Angeber und könne kein Geheimnis für sich behalten, wäre für einen solchen Chef womöglich durchs Feuer gegangen, mutmaßt er. Die ARD-Serienkommission lehnte sein Drehbuch und damit das ganze Vorhaben ab: Sie wäre eine Erfolgschronik der Hauptverwaltung Aufklärung, dem Auslandsnachrichtendienst der DDR, und eine Ohrfeige für den Verfassungsschutz gewesen, schreibt Knauf. Der Autor formuliert in seiner kurzweilig zugespitzten „Analyse“ 44 Regeln, die man beherzigen sollte, wenn man den Beruf des Drehbuchautors wählt. Regel Nr. 12: „Meide politische Themen, wenn du nicht völlig von ihnen überzeugt bist. Meide vor allem Geheimdienstler, Kriminelle und Hochstapler als Ideenlieferanten.“

Thomas Knauf erzählt, warum und wie es trotzdem gelingt, als Drehbuchautor zu leben und zu überleben und über neue Projekte, die ihn nach Portugal und Brasilien führen, zu den Witwen von Joseph Beuys und Yves Klein.

Thomas Knauf, „Babelsberg-Storys“, Alexander Verlag Berlin 19,90 Euro; Lesung am 19. Januar, 20 Uhr, Filmmuseum, Am Marstall 1, Eintritt 6, ermäßigt 5 Euro. „Die Architekten“ ist im Progress Film-Verleih, die DVD bei Icestorm erschienen

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