zum Hauptinhalt

Kultur: Blick durch den „Pflasterstein“

Mini-Ausstellung auf dem Bassinplatz zu „Bürger_bauten“ in der Zweiten Barocken Stadterweiterung

Es ist eine „bescheidene Ausstellung“, räumt selbst der Oberbürgermeister ein. Zwischen Ehrenfriedhof, Busparkplatz und Skateranlage wirken die vier Stelen am Bassinplatz trotz ihres kräftigen Rots recht unscheinbar. Wenn man sie dennoch entdeckt und sich zum Lesen der beidseitig angebrachten Informationstexte entschließt, wird man keineswegs dümmer. Gerade der Potsdam-Debütant wird an die Hand genommen und sinnenschärfend durch die Zweite Barocke Stadterweiterung „geführt“.

Potsdam gehört zu insgesamt neun Städten, die bis in den Oktober hinein mit kleineren und größeren Schauen auf „Bürger_bauten in den historischen Stadtkernen“ aufmerksam machen. Damit zollt die Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ dem Kulturlandjahr Brandenburg 2006 mit seinem Schwerpunkt-Thema Baukultur Tribut.

Die kleinen viereckigen Löcher in den gut zwei Meter hohen Stelen sind dabei eine witzige Hommage auf das einstige Kopfsteinpflaster, das zu den alten Stadtkernen einfach dazu gehörte. Erdacht hat sich dieses für alle Städte einheitliche Design ein Studententeam von der Bauhaus-Universität Weimar. Es gewann damit einen Ideenwettbewerb.

In Potsdam setzt man seinen Fuß auf den „Pflasterstein“ der Bürgerbauten in der Zweiten Barocken Stadterweiterung. Hier hatte der Bürger allerdings selten etwas zu sagen. Friedrich II. verpasste der Stadt die von ihm gewünschte Maske. Er krempelte das einfache, soldatisch geprägte Stadtbild seines Vaters gehörig um und schuf etwas Repräsentatives nach eigener Fasson. So ließ er in der Charlottenstraße bis zu drei Bürgerhäuser hinter einer gemeinsamen Fassade verschwinden.

Zu erfahren ist auf dem historischen Abriss, dass bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein „Publikandum“ wirkte, das Hauseigentümern untersagte, Veränderungen an den Fassaden nach eigenem Gusto vorzunehmen. In der Gründerzeit lockerten sich die Zügel. Rücksichtslos wurde nunmehr aufgestockt, Schaufenster in die Fassaden hinein gebrochen, Werbeflächen geschaffen.

Bürgerliche Familien begannen sich außerhalb der Altstadt anzusiedeln. Die Innenstadt verdichtete sich, wurde zur „Rauch- und Rußzone“ – abgegrenzt von den Villenvororten. 1920 setzte ein Umdenken ein: Eine Ortssatzung zur Verhütung der Verunstaltung des Stadtbildes trat in Kraft. Viele bauliche Veränderungen wurden zurückgenommen.

Den Zweiten Weltkrieg überstanden die barocken Stadterweiterungen weitgehend unbeschädigt. Das konnte man von der DDR-Zeit nicht sagen. Durch die Aufhebung des privaten Eigentums bremste man auch die individuelle Verantwortung. Am Ende waren viele barocke Häuser unbewohnbar. Dass sie nicht dem Erdboden gleich gemacht wurden, war einer Bürgerinitiative zu verdanken.

Erst nach der Wende haben sich die Bürger ihrer königlichen Stadt angenommen, sich auf die Qualität der historischen Gebäude besonnen. Über 30 Prozent Leerstand habe es nach 1989 gegeben, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs bei der gestrigen Eröffnung der Mini-Ausstellung. Heute fühle man sich wieder wohl rund um den Nauener Platz und auch an dem jetzt fertiggestellten Bassinplatz. „Die Stelen stehen ja nicht ganz zufällig hier“, so Jakobs. Die Touri-Busankömmlinge werden sicher interessiert darauf zusteuern. Die Skater zogen indes gestern Nachmittag trotz Blasmusik von „Blechzeit“ und roten „Pflastersteinen“ ganz unbeeindruckt weiter ihre eigenen Bahnen . Heidi Jäger

Rote „Pflastersteine“ gibt es auch in Altlandsberg, Beelitz, Belzig, Brandenburg, Dahme, Perleberg, Werder und Wittstock.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false