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Kultur: Das Fünfminuten-Problem

Eine außergewöhnliche Komödie auf der Freundschaftsinsel: Die Berliner Regisseurin Adriana Altaras inszeniert für das Hans Otto Theater das Stück „Haus und Garten“

Eine außergewöhnliche Komödie auf der Freundschaftsinsel: Die Berliner Regisseurin Adriana Altaras inszeniert für das Hans Otto Theater das Stück „Haus und Garten“ Von Marion Hartig Draußen im Garten. Die Sonne scheint über der Freundschaftsinsel. Blumen blühen, eine schwarze Schönheit im glänzenden Kleid zieht einen alternden Sunnyboy in weißem Hemd an der Hand durch den Garten, säuselt ihm „Mon amour, je t“aime“ ins Ohr. Ihre Augen sind tief in die seinen versunken. Ganz offensichtlich ist sie nicht die Frau, die er vor Ewigkeiten einmal geheiratet hat. Die nämlich liegt nebenan, im Pavillon, der jetzt kein Café mehr ist, wie gewöhnlich, sondern ein minimalistisch eingerichtetes Wohnzimmer. Sie liegt auf dem weißen Couchtisch. Man kann sie durch die Glaswand sehen und hören. Ein Mann steht neben ihr. Ein Mädchen, ihre Tochter, kommt herein und schreit laut auf. Später fliegen Teller durch den Raum. Drinnen und draußen. Wie im richtigen Leben gibt es in dem neuen Stück des Hans Otto Theaters, das am 2. Juni Premiere hat, nicht nur die eine Bühne, auf der das Geschehen spielt. „Haus und Garten“ von Alan Ayckbourn erzählt auf zwei Bühnen. Und zwar zeitgleich, und mit den selben Schauspielern. Gastgeber und Gäste lassen im Haus die Fetzen fliegen – und gehen dann nach draußen in den Garten und knutschen. Der Zuschauer muss sich entscheiden, welchen unkompletten Teil der Komödie über Beziehungskisten, Karrierelust und Affärenfrust er sich ansehen will. „Auch im Leben bekommt man nur Fragmente einer Geschichte mit“, sagt Regisseurin Adriana Altaras. Sie sitzt hinter einem Tisch auf der Zuschauertreppe im Garten, die Sonnenbrille auf dem Kopf hält die dunklen Locken zurück. Für welches Teilstück sich der Eintritt mehr lohnt, kann sie nicht sagen. Drinnen ist eher der britische Sprachwitz mit seinen sarkastischen Zügen zuhause. Draußen sind die zwischenmenschlichen Katastrophen in Slapstick verpackt. „Tempo, Tempo“, ruft sie den Darstellern zu. Als würde sie ahnen, dass gleich etwas schief läuft. Zum dritten Mal werden am vergangenen Mittwoch die Teilstücke parallel geprobt, eilen die schwarze Schönheit, der alternde Sunnyboy, die betrogene Ehefrau, der Nachbar und die Kinder von Szene zu Szene, von Bühne zu Bühne. Dann kurz vor Schluss das Debakel. Fünf Minuten. Das Stück im Pavillon-Haus ist fünf Minuten früher beendet als das im Garten. „Wir haben da ein Problem“, bringt es die Regisseurin auf den Punkt. Die perfekte zeitliche Abstimmung der Parallelgeschichten ist der Knackpunkt der Aufführung. Die Komödie wird ein Flop, wenn die Darsteller nicht zur rechten Zeit auf der rechten Bühne stehen – die Drinnengeschichte muss gekürzt werden. Darin allerdings dürfte die Regisseurin geübt sein. Sie hat das Original von dreieinhalb auf eine Stunde und 50 Minuten zusammengestrichen. In der Nachbesprechung kritisiert sie die Schauspieler: „Spiel nicht zu übertrieben“, „weniger Aktionismus“, „weniger Hektik und Hysterie“. „Nehmt die Figur, die ihr spielt, ernst“, sagt sie. Nicht der Mensch ist komisch. Die Situation, die Umstände, in die er gerät sind seltsam, falsch – zum Lachen. Diese liebevolle Sicht macht für Adriana Altaras eine Komödie aus. Sie hat einen Fabel für das Genre, erzählt sie. Besonders, wenn die Geschichte auf ungewöhnliche Weise erzählt wird. Außerdem gefällt ihr die humorvolle Sicht auf die Welt. „Wie anders soll man Beziehungsprobleme oder soziale Miseren ertragen“, sagt sie. Ihr nächstes Projekt, wieder eine Komödie, soll sich um Armut drehen. Mit dem Ayckbourn-Stück hatte es HOT-Intendant Uwe Eric Laufenberg denn auch nicht schwer seine einstige Kollegin vom Maxim Gorki Theater nach Potsdam auf die Freundschaftsinsel zu holen. Die Regisseurin fühlt sich wohl an dem „herrlichen“ Aufführungsort. Jetzt muss sie nur noch das Fünfminuten-Problem lösen.

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