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Kultur: Das Geheimnisvolle

Kunsthaus Potsdam zeigt die „Verkündigung“ in der zeitgenössischen Kunst

Kunsthaus Potsdam zeigt die „Verkündigung“ in der zeitgenössischen Kunst Von Klaus Büstrin Kunst: Man nehme einen Zettel, schreibe darauf mit seiner mehr oder weniger schönen Handschrift einen Spruch oder einen Vers, falte das Papier und lege es in ein x-beliebiges Glas. Dann ist das Papier dazu verurteilt zu warten, bis ein Mensch es aus dem Glas nimmt, entfaltet und liest. Hunderte solcher Zettel liegen darin. Judith Siedersberger hat sie alle mit Worten aus der Bibel beschrieben. Eine Fleißarbeit, doch Kunst? In der Hoffnung, dass der Bambergerin ansonsten etwas mehr einfällt, geht man mit dem Zettel durch die Räume des Kunsthauses Potsdam: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich“. „Der Himmel auf Erden – 1000 Jahre Christentum Brandenburg“ – das Thema 2005 von Kulturland Brandenburg – ist in der Ausstellung im Kunsthaus mit einem Fragezeichen versehen. Das Paradies auf dieser Erde zu schaffen, das ist dem Menschen ein Anliegen. Aber immer scheiterte er an dieser Utopie. Maria, die Mutter Jesu, hatte das Elend, das die Welt bereithält, ertragen müssen, selbst den Kreuzestod ihres Sohnes. Künstler verschiedener Jahrhundert haben Maria oftmals in königlicher Würde gemalt und geschnitzt, man stellte sie aber auch als „Schmerzensreiche“ dar, die den Tod Jesu bitter beklagt. Beides findet in der Kunsthaus-Ausstellung auch ihren Ausdruck, aber die Berliner Kunsthistorikerin und Kuratorin Sabine Hannessen hat in erster Linie jene neutestamentliche Szene für die Exposition „ins Rennen“ geschickt, die die Verkündigung des Engels Gabriel an Maria aus dem Lukas-Evangelium beinhaltet. „Fürchte dich nicht, Maria! du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen. Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden“. Die erschrockene Maria fragte, wie das zugehen solle, da sie von keinem Mann wisse. Gabriel antwortete: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Die Kuratorin hat viele Künstler eingeladen, sich mit diesem Verkündigungs-Thema auseinander zu setzen. Aber es meldeten sich bei ihr auch Maler und Objektkünstler, die sich gern an dem Projekt beteiligen wollten. Die Verkündigung gehört genauso wie die Geburt und die Kreuzigung Jesu zu den immer wieder dargestellten Szenen in der Kunst – seit vielen Jahrhunderten. Warum nicht auch heute? Seit einigen Jahren beschäftigt sich Sabine Hannessen mit diesem Thema. Natürlich stehen ihr die Bilder und Plastiken der alten Meister nahe, aber sie ist der zeitgenössischen Kunst gegenüber sehr aufgeschlossen, ja, so manches Werk hat sie ins Herz geschlossen. Ihr Engagement und ihre Begeisterung für die neuen künstlerischen Interpretationen lassen den Betrachter der Ausstellung nicht unberührt, obwohl man sich nicht mit allen Arbeiten anfreunden kann. Aber dies will die Kuratorin auch nicht in erster Linie, doch ist es ihr wichtig, wenn man mit den Werken eine Auseinandersetzung eingeht, denn sie „spiegeln die Fragen, Wünsche, Zweifel und Hoffnungen unserer Gegenwart wider“, am Beispiel der Verkündigung. Nicht nur im Kunsthaus Potsdam ist die Kunst zu sehen, sondern auch in der Frankfurter St. Gertraud-Kirche. In Brandenburg sowie in Beeskow machte „Der Himmel auf Erden?“ ebenfalls Station. „Marias Geheimnis“ nennt sich ein hölzerner Kasten, der mit eine rührig-schönen Verkündigungsszene (Ende des 19. Jahrhunderts) bedruckt wurde. Die Künstlerin Svenja Hehner fordert den Besucher auf, den Deckel zu öffnen. Man schaut in einen Sockel-Schacht: Nur Dunkelheit – das Unergründliche, das Geheimnisvolle. Die temperamentvolle Bronzefigur „Kleine Verkündigung“ von Karl-Hei Oswald geht auf den Betrachter geradewegs zu, breitet seine Arme aus, will sich ihm ganz hingeben. Arnulf Rainer hat eine bekannte Vorlage von Botticelli genommen, sie mit weißen Kreidestrichen übermalt. Engel und Maria sind hier wie elektrisiert zusammengeschweißt. Auch ein Video mit der Tanzszene „Annonciation“ (Choreographie: Angelin Preljocaj) hinterlässt diesen Eindruck. Da bleibt auch die Frage: Gab es zwischen Maria und dem Engel auch eine körperliche Berührung. Herbert Kollers Bild „Der leere Blick Mariae“ lässt dem Betrachter viel Raum für seine eigene Vorstellung. Und das wollen auch die anderen Werke – Bilder, Fotografien, Objekte, Skulpturen. Sie sind offen für die Auseinandersetzung, ob Zustimmung oder Ablehnung. Denn „Bei Gott ist kein Ding unmöglich“. Bis 23. 10., Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9, Do-Fr. 15-18 Uhr, Sa- So 12-17 Uhr. Katalog 8 Euro.

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