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Werke des Klassizisten John Soane in Berlin: Die Antike, ein Traum

Jahrhundertelang gab das antike Rom den Maßstab und die Formen vor, in denen Architekten bauten. Das ist der Kern des Klassizismus, wie unterschiedlich er sich von Land zu Land und von Epoche zu Epoche auch ausprägte.

Jahrhundertelang gab das antike Rom den Maßstab und die Formen vor, in denen Architekten bauten. Das ist der Kern des Klassizismus, wie unterschiedlich er sich von Land zu Land und von Epoche zu Epoche auch ausprägte. So war es auch in Großbritannien seit dem Aufstieg zur Kolonial- und Weltmacht, und es ist nur folgerichtig, dass die neue Ausstellung im Berliner Museum für Architekturzeichnung mit „Auf den Spuren der Antike“ überschrieben ist und mit Darstellungen römischer Altertümer einsetzt.

Grandiose, zumeist aquarellierte Zeichnungen sind aus dem Sir John Soane’s Museum nach Berlin gekommen, und nach der Eröffnungsausstellung des Museums für Architekturzeichnung der Tchoban Foundation vor zwei Jahren ist dies bereits die zweite Ausstellung, die mit herausragenden Beispielen aus der über 30 000 Blätter umfassenden Sammlung des Londoner Partners gestaltet wurde. Es ist die schiere Augenfreude. Denn ähnlich verspielt, wie das berühmte Doppelhaus von John Soane in London, das seinem Besitzer Wohnhaus, Arbeitsstätte und Museum in einem war, präsentieren sich in den abgedunkelten Räumen des Berliner Museums die zartfarbigen, wie von innen heraus leuchtenden Blätter. Hier wird keine Architekturgeschichte chronologisch aufgereiht, hier werden reale Entwürfe mit fantasiereichen Capricci gemischt, hier verbindet sich die Kenntnis antiker Proportionslehren mit lustvollstem Einfallsreichtum.

John Soane ging 1778 auf die Grand Tour und blieb drei Jahre. Auf einer solchen Reise musste ein Architekt all das durch Beobachtung und Abzeichnung erlernen, was er in seinem Berufsleben benötigen sollte. Später, als Professor an der Royal Academy, ließ Soane in seinem Büro von seinen Angestellten hunderte Blätter für seine Vorlesungen anfertigen, die das Aufmaß von römischen Architekturdetails zeigen. Wie stolz er auf seinen beruflichen Aufstieg war, zeigt die Darstellung seines (erträumten) Hauses Pitzhanger Manor. Ein älteres, schlichtes Gebäude, an dem der erst 15-jährige Soane als Lehrling des berühmten George Dance d. J. mitgearbeitet hatte, bleibt nun als Teil eines mit Motiven des Konstantinsbogens in Rom verzierten Bauwerks stehen, das die klassische Ausbildung des Architekten zur Anschauung bringt. Kurz zuvor, 1788, hatte Soane in vier Aquarellen das von ihm entworfene country house für den Bankier William Praed zu unterschiedlichen Tageszeiten von seinem Mitarbeiter Michael Gandy darstellen lassen, dem wir die besten Ansichten von Soanes Projekten verdanken.

Es ist kaum zu unterscheiden, wo Darstellung von Gebautem, Entwurf oder schiere Fantasie aufhören. Etwa bei Soanes Zeichnung der Kirche Hl. Dreifaltigkeit in Marylebone von 1824: Ist das eine Schnittzeichnung, die die Fassaden des Bauwerks ebenso wie sein Inneres erkennen lässt, oder zeigt es, worauf der Vordergrund hindeutet, den Bau in bereits ruinösem Zustand?

Zeichnungen von französischen und italienischen Zeitgenossen vervollständigen die Ausstellung, und allein schon diese Zeichnung ist den Besuch wert; umso mehr die anderen Blätter, die eine hierzulande kaum bekannte Epoche der Architektur ausbreiten. Bernhard Schulz

Museum für Architekturzeichnung, Christinenstraße 18a (am Pfefferberg), bis 14. Februar, Mo–Fr 14–19, Sa/So 13–17 Uhr.

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