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Von Klaus Büstrin: Die Bilder, die mit der Musik entstanden

Helmut Oehrings Goya-Musik erklang im Sinfoniekonzert mit dem Staatsorchester

Es waren Bilder, die im 5. Sinfoniekonzert den Zuhörer im Nikolaisaal begleiteten. Bekannte Bilder, aber es entstanden auch neue. Und Jeder, der dabei war, wird sich wohl seine Eigenen „gemalt“ oder „inszeniert“ haben. Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt an der Oder zauberte am Samstagabend unter der Leitung von Howard Griffiths mit Klängen vielfältige Farben, mit „Goya I – Yo Io vi“ von Helmut Oehring, mit dem Klavierkonzert D-Dur von Maurice Ravel und mit Sergej Prokofjews Ballettsuite „Romeo und Julia“.

Ist das Werk des 1961 geborenen Helmut Oehring auf Anregung des Bildes Nr. 44 „Yo Io vi“ (Das sah ich) aus Goyas Grafikzyklus „Die Schrecken des Krieges“ aus den Jahren 1810 bis 1814 entstanden, so hat Prokofjew für William Shakespeares unerschöpfliches Liebesdrama, das zunächst im Konzertsaal erklang, anschließend im Theater eine der schönsten Ballettmusiken des 20. Jahrhunderts geschrieben.

Howard Griffiths legte, nachdem er das Podium betrat, zunächst den Taktstock beiseite. Er fing zu plaudern an. Doch glücklicherweise uferte es nicht zu einem Plauderstündchen aus. Mit dem Berliner Komponisten Helmut Oehring unterhielt er sich straff über seine Arbeitsweise, über seine Komposition, die vor gut drei Jahren entstand. „Ich muss mit meiner Arbeit reagieren auf die Gegenwart, auf Kriege, Verfolgung und Leiden, die 200 Jahre nach dem Entstehen von Goyas Grafik leider noch immer aktuell sind“, sagte der Komponist.

Goyas Radierung „Yo Io vi“ bildet die Folie für Oehrings Musik und ist Teil einer Werkgruppe, zu der auch ein Streichquartett und eine Oper gehören.

Das Bild zeigt eine Szene aus dem Spanien der Napoleonischen Kriege, mit Flüchtlingen, darunter eine Frau und ihr Kind, den „zivilen Opfern“ des Krieges. Mit dem Stück wendet sich Oehring zugleich Ludwig van Beethoven zu, einem Zeitgenossen Goyas und Zeitzeugen der Napoleonischen Kriegszüge.

Beide Künstler waren begeistert für die Ideen der Französischen Revolution, die sich auch in der Person Napoleon Bonaparte verkörperte, der sie jedoch verriet. Und so zitiert Helmut Oehring mehrfach aus Beethovens Kompositionen in „Goya I“ . Dann griff Howard Griffiths zum Taktstock. Schaurig leises Trommeln und sirenenartiges Bespielen der Posaunen lassen die „Schrecken des Krieges“ erahnen. Es entstand ein Stück, das die Leiden des Krieges reflektiert. Dies wird oftmals auch mit unkonventionellen Klang-Aktionen verdeutlicht. Beispielsweise durch das Zerreißen von Papier. Aber dies ist in die Gesamtkomposition bestens integriert. Dazwischen vernimmt man viel Kammermusikalisches, Leises. Es klingt so, als ob die Hoffnung gestorben ist.

Howard Griffiths und das Staatsorchester setzten sich für Helmut Oehrings atmosphärisch dichtes Werk mit großes Engagement ein. Sie musizierten es mit überzeugender Souveränität, so dass diese neue Musik unseres Jahrhunderts vom Publikum mit großem Beifall aufgenommen wurde. Es hat das Werk des Berliner Komponisten und sein Anliegen verstanden.

Die Szenen aus William Shakespeares Schauspiel „Romeo und Julia“ sind bekannt. Innige Liebe, Leidenschaftlichkeit Hass und Unversöhnlichkeit zweier Familien sowie der frühe Tod von zwei jungen Menschen sind die Themen der Tragödie, zu der Sergej Prokofjew eine zeitlose Interpretation gelungen ist. Die Charakterzeichnungen der Figuren und die Stimmung, die die Geschichte bereithält, werden vom russischen Komponisten trefflich gezeichnet, so dass der Zuhörer sofort die bekannten Bilder von Romeo und Julia sich ins Gedächtnis rufen kann. In Griffiths’ und des Staatsorchesters „Inszenierung“ kommen wunderbare Klangfacetten ans Licht, die zarten Lyrismen und die dramatische Wucht.

Zwischen Oehrings und Prokofjews Werk erklang Maurice Ravels Konzertfür die linke Hand für Klavier in D-Dur (1931) von Maurice Ravel. Feinste Nuancen konnte der Komponist mit dem Klang ausdrücken und sinnliche Farbvaleurs erzeugen. Dazu ist aber ein Solist vonnöten, der den komplexen Klaviersatz – trotz nur einer Hand – technisch meistert und mit großem Feinsinn realisiert. Ein junger Pianist konnte dafür gewonnen werden: Christian Seibert. Fingerfertig und mitreißend hat er sich Ravels Werk zugewandt. Es bekam durch den Musiker glasklare Konturen, an den sich die Klangfacetten wunderbar spiegeln konnten. Nur das Staastorchester war hierbei nicht immer ein sensibler Partner. Es musizierte oft zu vorlaut. Dennoch:. Der Beifall war auch nach dieser Interpretation sehr groß.

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