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Kultur: Die Kinder, der Müll und die Kamera

Plötzlich ganz nah: Eine Fotoausstellung im Waschhaus zeigt Bilder aus den Slums von Nairobi

Plötzlich ganz nah: Eine Fotoausstellung im Waschhaus zeigt Bilder aus den Slums von Nairobi Auch in Nairobi gibt es ein Hilton Hotel. Es steht in einem schönen Viertel mit Läden in denen man Latte Macchiato trinkt zu Karottenkuchen mit Zuckerguss. Das schöne Viertel liegt auf der einen Seite der Hauptstraße. Auf der anderen, kaum 500 Meter entfernt, versperren große Plastikfolien den Blick auf dunkle schmale Gassen. Auf Müll, der sich wie eine dicke Schicht über den Boden legt. Auf Kinder, die an Klebstoff schnüffeln. Weite Jacken und Hosen hängen an ihren schmalen Körpern. Ihre Köpfe sind gesenkt. So, als würden sie den Fotografen gar nicht bemerken. Nur mit seinen Guides, zwei kenianischen Straßenarbeitern, hat er sich in die „No go Zones“ gewagt, erzählt der Berliner Fotograf Matthias Steinbach. Dorthin, wo sich auch die Polizei kaum blicken lässt. Er hat Bilder von auf der Straße lebenden Kindern und von Kawangware, einem riesigem Slum, neun Kilometer vor Nairobi entfernt, gemacht. Die dort entstandenen Aufnahmen sind nun in der Ausstellung „The Silt of Memory“ im Waschhaus zu sehen. Eine Fotoreportage mit 170 Schwarzweiß-Bildern, die eine deutliche Sprache sprechen. Da liegt ein Kind in einem Stoffsack am Straßenrand und schläft. Etwas entfernt ein Mann auf einer Treppe, er liest Zeitung, unberührt. Straßenkinder gehören zum Alltag. In Kawangware sitzen vier kleine Jungen vor zusammengeflickten Wellblechbaracken auf dem vermüllten Boden und spielen Karten. Sonst ist weit und breit niemand zu sehen. Ganz nah ist der Fotograf den Kindern gekommen. Mit großen ernsten, oft leeren Augen sehen sie in seine Kamera. Einige von ihnen hat er fast täglich besucht, bis er sie dann fotografiert hat, erzählt er. Andere sind aus einiger Entfernung aufgenommen. Man fühlt sich konfrontiert mit einer fremden Welt. Mit Armut, die sich in die Gesichter tief eingeprägt hat. Der Inhalt steht bei ihm klar vor der Bildästhetik, sagt der 35-jährige Fotograf, der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Potsdam studiert. Dennoch sind seine Arbeiten weit davon entfernt spontane Schnappschüsse zu sein. Er hat sie genau komponiert. So wie es sein Vorbild Henri Cartier Bresson getan hat. Mit der geometrischen Form will er den Blick des Betrachters lenken und dem Bild eine Ordnung geben. Und es gelingt ihm auf beeindruckende Weise. Von seinem Vorbild trennt ihn noch die Kunst, die Bewegung der Menschen in die geometrische Form einzubinden. Matthias Steinbach fotografiert seit zwanzig Jahren. Und das nach wie vor analog. Die ausgestellten Arbeiten sind Abzüge von Originalnegativen, sie zeigen keine künstlichen Ausschnitte, sondern das, was der Fotograf im Moment der Aufnahme gesehen hat. Ganz im Sinne der Magnum-Reportage-Fotografie. Sein Thema ist Armut. Weltweit. Er hat Straßenkinder in Nicaragua fotografiert, in den USA und in Rumänien. Seine Bilder aus russischen Gefängnissen wurden in den Bildungsserver des Landes Brandenburg aufgenommen. Die Fotografien aus Nairobi fesseln den Blick. Sie erzählen auf ästhetische Art eine traurige Geschichte, die durch die Porträts der Kinder ein Gesicht bekommt – und berührt. Marion Hartig Vernissage heute 19 Uhr, bis 6. Juli, Mo-Fr 16 bis 20 Uhr, So 14 bis 20 Uhr

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