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Von Heidi Jäger: Ein Gesicht, das so viel erzählt

Nadja Uhl kommt anlässlich ihrer Retrospektive am Freitag ins Filmmuseum

Hüftfrei und in engem Mieder windelt sie den todkranken Mann. Die Handgriffe sitzen. Auch das aufmunternde Lächeln spricht aus dem Herzen. Eine Altenpflegerin zu spielen, kann sicher an die Substanz gehen und auch schnell unprofessionell wirken. Also nahm Nadja Uhl Nachhilfe bei einer echten Altenpflegerin und gab ihr mit dem Film „Sommer vorm Balkon“ wohl den schönsten Vertrauensbeweis zurück. So kess und frisch und so voller Wärme wie in der Tragikomödie von Andreas Dresen kam selten dieser Beruf auf die Leinwand. Die Uhl kann’s. Und noch viel mehr. So verwundert es nicht, dass sie mit 38 Jahren schon mit einer Retrospektive gewürdigt wird. Der Filmmuseums-Januar steht ganz im Zeichen der Potsdamer Schauspielerin: dieser zarten Frau mit der Energie einer Dampflok, die sie wohldosiert in ihre Rollen fließen lässt, um sie bis in die verborgensten Winkel auszuformen.

Nadja Uhl sucht Grenzbereiche und schaut dabei immer wieder in Abgründe. Wie in dem Film „Nicht alle waren Mörder“, für den sie den Grimme-Preis erhielt und die Anna Degen spielte, eine jüdische Witwe, die sich während der Nazizeit mit ihrem elfjährigen Sohn Michael in Berlin versteckte. Eines des größten Lobe für diese intensive blutvolle Darstellung kam von Michael Degen selbst: „Obwohl Nadja Uhl meiner Mutter nicht ähnlich sieht, hat sie sich ihr innerlich wie äußerlich erstaunlich angenähert. Das ist eine große frappierende Leistung“, schrieb der Schauspieler über die jüngere Kollegin. Das war natürlich Balsam für die Künstlerseele, zumal sich Nadja Uhl erst gar nicht besetzen lassen wollte, nach dem sie das Buch gelesen hatte. Sie fühlte sich selbst zu weich für diese durch das Leben hart gewordene Frau, die zusehen musste, wie ihr Mann an den grausamen Folgen der Misshandlungen im KZ stirbt.

Ihren ersten großen Filmerfolg feierte Nadja Uhl im Jahr 2000 in Volker Schlöndorffs Terroristen-Drama „Die Stille nach dem Schuss“, der ihr den Silbernen Bären als beste Darstellerin einbrachte. Schlöndorff hatte die junge Frau mit dem natürlichen Charme am Hans Otto Theater entdeckt. Dorthin wurde sie von Intendant Stephan Märki engagiert, als sie gerade ihre letzte Prüfung an der Schauspielschule Leipzig hinter sich hatte. Nadja Uhl spielte sich schnell in die erste Reihe, wurde das Gretchen im „Faust“, die Adelheid im „Biberpelz“ und brillierte unvergessen mit Humor, Kodderschnauze und Spitzenunterwäsche in „Die Hose“.

In „Die Stille nach dem Schuss“ gab sie die Rolle der Rebellin, die lieber heute als morgen der piefigen DDR den Rücken kehren will. Die gebürtige Stralsunderin verließ sich dabei auf ihre eigenen Erinnerungen, griff aber auch zu Stefan Austs Roman „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Acht Jahre später spielte sie in dem gleichnamigen Film von Uli Edel die Terroristin Brigitte Mohnhaupt. Das Gefühl der anderen Seite – in den Fängen von Terroristen – spürte sie zuvor in „Mogadischu“ nach, in dem sie als Stewardess der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch vier palästinensische Terroristen Nerven bewahren musste, trotz Pistole am Kopf.

Nach dem Schlöndorff-Film hagelte es nur so Angebote für die Potsdamerin. Auch aus den Niederlanden, wo sie mit Regisseur Ben Sombogaart „Die Zwillinge“ drehte und in einfühlsamen Bildern die Geschichte einer außergewöhnlichen Geschwisterliebe erzählt. Dieser Film war für die Niederlande 2002 in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ für den Oscar nominiert.

Das Gesicht der vielgefragten Schauspielerin ist wie ein offenes Buch, in das man immer wieder hineinschauen möchte, weil es ehrlich und unverstellt Gefühle zeigt. Man leidet mit, wenn jemand in diese Reinheit Risse einbrennen möchte, wie beim Krimi „Der Tote im Spreewald“, in dem Nadja Uhl 2009 erneut eine ungewöhnliche Durchlässigkeit bewies.

Woher nimmt diese zierliche Frau, die auch privat einen Vollzeitjob managt und sich zudem für den Diakonischen Verein und Menschen mit Behinderung engagiert, diese Kraft? Vor allem wohl aus ihrem Zuhause, in dem ihr Mann und die zwei Töchter auf sie warten und sie erden. „Das Muttersein beflügelt mich. Irgendwie macht es mich auch im Beruf viel mutiger“, sagte die Schauspielerin kürzlich in einem Interview.

Und dann gibt es da auch noch die Baustelle: die geschichtsträchtige Gutmann-Villa am Jungfernsee, die sie mit ihrem Mann Kay Bockholdt nach und nach saniert. Irgendwann sollen die vielen Zimmer von mehreren Generationen bewohnt werden. So wie sie es als kleines Mädchen von der Waterkant kennt. Doch bis es in der Bertinistraße so gemütlich wie zu Kindertagen im Haus der Großmutter ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen.

Um Abstand zu gewinnen, zieht es Nadja Uhl dann auch mal in den Dschungel. Dort drehte sie im vergangenen Sommer den Kinofilm „Dschungelkind“ und die gesamte Familie reiste mit in den malaysischen Urwald. Für die drei Monate andauernden Filmarbeiten nahm ihr Mann die Elternzeit, um sich um die dreijährige Paulina und neunmonatige Elena zu kümmern.

In den Herbst- und Wintermonaten hat nun Nadja Uhl Babypause gemacht. Wie es beruflich weiter geht, verrät die Schauspielerin vielleicht am kommenden Freitag, wenn Knut Elstermann beim Gespräch im Filmmuseum die Schauspielerin ins „Kreuzverhör“ nimmt.

Anlässlich der Retrospektive findet am Freitag, dem 21. Januar, im Filmmuseum, Breite Straße 1, ein Gespräch mit der Schauspielerin Nadja Uhl statt. Zuvor ist um 20 Uhr der Film „Zwillinge“ zu sehen. Karten unter Tel. (0331) 27 181 12

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