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Ulla Walter stellt im Kunsthaus aus.

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Eine kreative Welt: Bilder und Skulpturen von Ulla Walter im Kunstverein Kunsthaus

„Malerei und Skulptur - Vor dem Mauerfall und postdigital“ heißt die neue Schau. Seit den 1990er-Jahren ist Beton einer ihrer Werkstoffe.

Von Richard Rabensaat

Zwei Werkperioden hat Ulla Walter für ihre Ausstellung im Kunstverein Kunsthaus ausgewählt. „Malerei und Skulptur - Vor dem Mauerfall und postdigital“, lautet der Titel der Schau, die am Sonntag eröffnet wurde. Dass sich das Postdigitale mit der im Kunsthaus gezeigten Malerei anschaulich fassen lässt, zeigte eine Begegnung, die Walter mit zwei Kripobeamten hatte.

Ein Diebstahl hatte sich ereignet. Zwei Polizisten standen vor dem Atelierhaus der Künstlerin, es ergab sich ein Gespräch. Walter lud die beiden auf einen Kaffee in den umgebauten, mit Leinwänden gefüllten Tanzsaal ein, der ihr als Atelier dient. Angesichts der gemalten digitalen Welten auf den Leinwänden gingen den Beamten buchstäblich die Augen auf.

Die Malerin hatte ein Bild für die Gefühlswelt des Polizisten gefunden, der sich als Vater von seiner Tochter gelegentlich entfremdet fühlte, wenn sie von ihrem Handy geradezu eingesogen wird. „Mit der Sinnlichkeit der Bilder und mit meiner Kreativität möchte ich immer wieder neue Zugänge zur Welt öffnen“, sagt Walter.

Dementsprechend experimentiert die 1955 in Meiningen, Thüringen geborene Malerin mit Farben und Materialien. Seit den 1990er-Jahren ist Beton einer ihrer Werkstoffe. Daraus schafft sie Skulpturen, verwendet den spröden Stoff aber auch für ihre Malerei, die dadurch eine widerspenstige Note erhält. Das entspricht ihrem künstlerischen Werdegang, der sie von Dresden nach Leipzig zu Bernhard Heisig führte, bei dem sie ihr Studium als Meisterschülerin abschloss.

Anders als in Dresden habe sie sich bei Heisig auf die Malerei konzentrieren und Ideologisches außen vor lassen können. „Danach hätte ich eine Laufbahn an der Hochschule beginnen können, aber das wollte ich nicht. Ich wollte frei in meiner Malerei sein und meinen eigenen Weg gehen“, so Walter. Die vor dem Mauerfall gemalten Bilder wirken wie ein expressiver, vor Dynamik und Bewegung vibrierender Farbrausch.

Nach dem Mauerfall habe sie neue Wege gesucht und Experimente gestartet, bei Workshops, in der Malerei, bei gemeinsamen Aktionen mit Kollegen wie dem mit Feuer zündelnden Kain Karawahn. „Es haben sich ganz neue Wege und Möglichkeiten aufgetan, die im Osten niemals möglich gewesen wären“, resümiert Walter. Sie widerspricht dem Wissenschaftler Dirk Oschmann, der in einer viel beachteten Buchveröffentlichung „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ die Vereinigung von Ost und West im Wesentlichen als Gängelung des Ostens beschreibt. Oschmann verallgemeinere eine Stimmung im Osten nach der Wende, die sie so nicht erfahren habe und unterschlage vieles, was die Menschen in Ostdeutschland geprägt habe und nach der Vereinigung nicht einfach verschwunden sei.

Seit den 1990er-Jahren ist Beton einer von Ulla Walters Werkstoffe.  Daraus schafft sie Skulpturen, verwendet den spröden Stoff aber auch für ihre Malerei.
Seit den 1990er-Jahren ist Beton einer von Ulla Walters Werkstoffe.  Daraus schafft sie Skulpturen, verwendet den spröden Stoff aber auch für ihre Malerei.

© Richard Rabensaat

„Es musste ja erst einmal eine Wellenlänge mit denjenigen herstellt werden, die zuvor der Klassenfeind waren“, sagt Walter. Das aber sei gelungen. Sie habe sehr viel positive Resonanz auf ihre Kunst in Ausstellungen in ganz Deutschland und international erfahren. Der Osten sei nicht nur so grau gewesen, wie er gelegentlich dargestellt werde. Legendäre Partys hätten in ihrem Tanzsaal-Atelier stattgefunden, um das sie nach der Wiedervereinigung erst einmal in einem Rechtsstreit kämpfen musste. Es seien alles winzig kleine Mosaiksteine, aus denen sich das Bild des Ostens und eines „Tanzes auf dem Vulkan“ vor dem Mauerfall zusammen setze, findet Walter. Argumentationen wie die von Oschmann verallgemeinerten und würden im Ergebnis die Menschen spalten und der AfD Stimmen zutreiben.

Walter tritt ein für eine differenzierte Betrachtung der Welt. In ihrer Malerei greift sie Themen und Befindlichkeiten auf, die Menschen prägen, wie die allumfassende Digitalisierung. So versetzt sie den Betrachter in eine Abendmahlsszenerie, die von Handyapps und digitalen Ornamenten durchbrochen wird und verknüpft so die Geschichte der Malerei mit der Gegenwart. „Ich bin ein Freigeist. Viele negative Dinge sind verhinderbar, wenn wir nur kreativ mit der Welt umgehen.“

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