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Kultur: Furios musiziertes Halleluja

Bachkantaten-Gottesdienst zum Reformationstag in der Erlöserkirche mit Esther Hilsberg

Johann Sebastian Bachs festlich-virtuose Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51 erklang am gestrigen Reformationstag in der Erlöserkirche. Damit wurde die Reihe des Vereins „Musik an der Erlöserkirche“ ins Leben gerufen, Bachkantaten im Gottesdienst zu musizieren. „Ich möchte alle Künste, besonders die Musik, gerne sehen im Dienste dessen, der sie gegeben und geschaffen hat“, schrieb Martin Luther im „Geistlichen Gesangbüchlein“, das 1524 in Wittenberg erschienen ist.

In diesem Buch wurden am Schluss einige leere Seiten belassen. Dort konnten die Benutzer handschriftlich einige Lieder eintragen, ganz im Sinne von Luthers Forderung, dass man den Gottesdienst nicht formelhaft verengen dürfe, sondern dass die lebendige Gemeinde eigene Traditionen und Formen einbringen solle.

Johann Sebastian Bach hat den Gottesdiensten in der Leipziger Thomas- und Nikolaikirche vor allem mit seinen Kantaten jedenfalls eine neue künstlerische Qualität in der musikalischen Verkündigung gegeben. Und „Jauchzet Gott in allen Landen“ gehört zu den bekanntesten Solokantaten Bachs. Er schrieb sie sehr wahrscheinlich 1730 zum 15. Sonntag nach Trinitatis. Sie ist ganz auf das Lob und die Anbetung Gottes ausgerichtet. Die Besetzung Sopransolo und obligate Trompete gibt es als Kombination bei Bach nur ein einziges Mal. Die Kantate gibt einige Rätsel auf. Beispielsweise: Wer könnte zu Bachs Zeit in Leipzig die Sopranpartie dieser Kantate bewältigt haben? Ein Knabensopran wohl kaum, denn die extrem virtuosen stimmlichen Anforderungen, besonders im Bereich der Koloraturen, sind immens.

In der Erlöserkirche gab es keine Rätsel zu lösen. Die Berliner Sopranistin Esther Hilsberg, die sich auch als Komponistin einen Namen machte, hat die Partie übernommen. Mit ihrem hellen, klaren und weichen Timbre und dem klugen Einsatz eines klingenden, niemals überstrapazierten Vibratos weiß sie die stimmlichen Tücken der Kantate anzugehen. Sie versteht es ausdrucksstark – besonders beim Arioso „Höchster, mache deine Güte“ – den Text auszudeuten. Und das abschließend furios musizierte Halleluja ist ein großer Lobgesang. Auch vom ungenannt gebliebenen Trompeter sowie dem Neuen Kammerorchester Potsdam, die unter der Leitung von Ud Joffe musizierten, gingen entscheidende musikalische und gestalterische Impulse aus, so dass die Aufführung zu einem beglückenden Gesamterlebnis wurde.

Ein Reformationsgedenken ohne den trotzigen Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ wäre wohl kein Reformationsgottesdienst. Die Gemeinde sang ihn kraftvoll, Friedrich Meinel an der Schuke-Orgel gab ihn in einer Bearbeitung von Dietrich Buxtehude leuchtende Präsenz und Pfarrer Martin Kwaschik stellte in seiner Predigt schließlich die Frage, ob der Text von den Zeitgenossen im Jahre 2008 eigentlich noch recht verstanden wird. Klaus Büstrin

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