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Von Heidi Jäger: Große Gefühle

Von der Schaubühne ans Hans Otto Theater: Elzemarieke de Vos spielt „Die Kameliendame“

Anfangs hatte sie Angst, ihre Titelfigur mit großen Gesten zu überzeichnen. Doch Regisseur Peter Kube ermunterte Elzemarieke de Vos, ruhig mehr zu geben. Ein bisschen Kitsch dürfe sein. Gerade auf der Bühne, wo sich alles um Gefühle dreht. Ganz besonders in der „Kameliendame“. „Und wenn es etwas kitschig wird, na und! Titanic ist auch Kitsch und trotzdem muss ich heulen“, sagt inzwischen die attraktive Schauspielerin, deren klangvoller Name auch in ihrer Heimat Holland selten ist.

Die teils autobiografische „Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren, in der Bühnenlegenden wie Sarah Bernhard und Eleonora Duse brillierten oder Leinwandstar Greta Garbo das Publikum berührte, gilt als der ultimative Test für eine dramatische Schauspielerin. Eine Bürde für die gerade erst 26-Jährige?

Elzemarieke de Vos bleibt gelassen. „Das macht mir keine Angst. Jeder hat seinen eigenen Stil. Ich vergleiche mich da nicht mit so gestandenen Schauspielerinnen, die außerdem auch mal klein angefangen haben. Keinesfalls werde ich auf Dame machen, sondern zu meiner Jugendlichkeit stehen.“ Aber natürlich sei diese Figur eine Herausforderung: eine Rolle, in der man die ganze Bandbreite der Gefühle legen kann. „Anfangs zeigt die aus einfachen Verhältnissen kommende Kurtisane Marguerite nur Stärke und Erotik, gibt sich edel und verführerisch. Doch wenn sie die Maske allmählich fallen lässt, wird auch tiefe Verzweiflung sichtbar. Die Liebe macht Marguerite verletzlich.“

Elzemarieke de Vos kennt das Gefühl der Leere und Lustlosigkeit, wenn der Liebeskummer zuschlägt. Doch bei Marguerite ist der Verzicht auf ihre große Liebe zu Armand existenziell. Am Ende gibt sie auf. Und erliegt ihrer schweren Krankheit. „Diese Krankheit zu spielen, finde ich schon schwierig, und ich bin froh über die Hilfe des Regisseurs. Vier Wochen Probezeit sind bei so einem Stück allerdings der Hammer. Mal sehen, ob in den Durchläufen noch die Möglichkeit bleibt, mehr Eigenes hineinzulegen.“

Für Elzemarieke de Vos ist es die erste Rolle am Hans Otto Theater, mit dem sie jetzt ein Zwei-Jahres-Vertrag verbindet. Zuvor spielte sie im Ensemble der Schaubühne Berlin: dem Theater ihrer Sehnsucht. „Ich bin allein wegen dieser Spielstätte nach Deutschland gekommen.“ Zuvor lebte sie lange in Österreich, nachdem sie 13-jährig gemeinsam mit ihrer Familie Holland verließ, weil die Eltern ein Hotel in Tirol übernahmen. Für die junge „Elze“ eine schlimme Zeit, in der sie sich oft einsam fühlte. „Ich sprach kaum Deutsch, schaffte das Abitur nicht.“ So ging sie auf eine Polytechnische Schule, dann auf eine Klosterschule, wo die Nonnen sie im Putzen, Kochen, Nähen, ja sogar im Beten unterrichteten. „Obwohl ich gar nicht katholisch war. In dieser Zeit habe ich kräftig rebelliert.“ Mit ihrer freigeistigen holländischen Mentalität sollte sie zu allem Ja und Amen sagen. Doch ihr ungezügeltes Temperament war nichts für genormte Rollen, und so wurde sie von einer Lehrerin zum Rollenspiel auf der Bühne ermuntert.

Das junge Mädchen, das bislang nur Kindertheater gesehen hatte, bewarb sich in Innsbruck an einer privaten Schauspielschule. Zur Eignungsprüfung sollte sie einen Monolog sprechen. „Doch ich wusste gar nicht richtig, was das ist. Also schrieb ich einen Text über mich selbst, eine Art Zwiegespräch.“ Mit dieser Naivität konnte sie offensichtlich punkten und schloss die Ausbildung in Schauspiel, Tanz und Gesang mit Bühnenreife ab. Danach ging es für ein Jahr nach Wien an eine Musicalschule, bis sie eines Tages mit Freundinnen einen Ausflug nach Berlin unternahm und an der Schaubühne „Macbeth“ sah. Sie war so elektrisiert von der Frische dieser Aufführung, dass sie unbedingt dort engagiert werden wollte. Die beste Eintrittskarte sei ein Studium an der Ernst-Busch-Hochschule, riet man ihr. Und trotz Fieber und Antibiotika schaffte sie den Eignungstest auf Anhieb. Wie auch danach den Sprung an die Schaubühne. Schon während des Studiums gastierte Elzemarieke de Vos am Deutschen Theater sowie in diversen Produktionen am „bat“ Studiotheater. Bald zeigte sich ihre Stärke für das Dramatische. „Aber ich spiele auch gern in Komödien, vor allem das Tragikomische. Mich bewegt alles sehr schnell und zutiefst. Doch gerade in meinem Beruf muss ich auch ein dickes Fell haben.“

Ihre Feuerprobe bestand sie, als sie in einem kleinen Raum am DT einen 20-minütigen Text deklamierte und aus dem Publikum Buhrufe kamen. „Manche verließen sogar den Saal. Ich stand kurz vor den Tränen. Dennoch habe ich weitergesprochen. Am Ende gab es super Applaus und auch tolle Kritiken.“ Inzwischen erholt sie sich schon beim Verbeugen von ihrer Vorstellung. „Ich bin nicht dafür, hinterher alles zu zerreden. Am liebsten trinke ich mit den Kollegen noch einen, und dann ab nach Hause“: nach Berlin zum Freund. Sie selbst hat entschieden, die Schaubühne zu verlassen und erst einmal an einem kleineren Haus mit größerem Repertoire zu gehen, „wo ich einfach mehr spielen kann, mehr Raum für mich ist.“ Als ihr zum Einstieg die Kameliendame angeboten wurde, dachte sie nur: „Oh, das trauen sie dir zu!“ Noch spielt sie parallel an der Schaubühne in fünf Produktionen, wie in „Kirschgarten“ und „Tauben“ und eines Tages, so hofft sie, wird sie auch wieder ganz zurückkehren.

Jetzt genießt sie aber erst einmal „die super netten Kollegen in Potsdam, die alle sehr bodenständig sind und aufeinander aufpassen. Bislang habe ich hier noch nichts von Konkurrenzkampf gespürt.“ Das Ensemble sei für sie das wichtigste, was es am Theater gibt. Gerade wenn man noch keinen großen Namen hat. Der Druck, wie sie ihn in Berlin erlebte, mache indes vieles kaputt. Für sie ist der Partner auf der Bühne das A und O. „Ohne ihn bin ich nichts“, sagt die offenherzige Frau, die sich in ihrer Freizeit gern sportlich den Adrenalinkick verschafft: ob beim Snowboarden, Klettern oder Wellenreiten.

In der Arbeit kann sie dann wieder ganz zarte Saiten anschlagen, wie in den „Inga Lindström“-Film des ZDF, den sie letzten Sommer in Schweden drehte. „Eine richtig schöne Liebesgeschichte mit Sonnenuntergang.“ Und wie die „Kameliendame“ mit viel Gefühl, aber sicher etwas weicher gespült.

Premiere Freitag, dem 15. Januar, 19. 30 Uhr, Neues Theater

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