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Kultur: „Ich möchte den Tisch selber mit decken“

Jennipher Antoni begibt sich in „Himmelsleiter“ auf den Lebensweg der Potsdamerin Margarete Buber-Neumann

Jennipher Antoni begibt sich in „Himmelsleiter“ auf den Lebensweg der Potsdamerin Margarete Buber-Neumann Sie gehört zu den Neuen im Ensemble und ist doch schon ein vertrautes Gesicht. Das liegt nicht nur an der großen Ähnlichkeit mit ihrer bekannten Mutter – Jennipher Antoni weiß aus sich heraus, nachhaltig Akzente zu setzen. Sie beseelte ihre Rollen am Potsdamer Hans Otto Theater mit schlichter Natürlichkeit und charismatischer Tiefe. Treffsicher schoss sie ihre rebellierenden Pfeile in jede Oberflächlichkeit. Vor allem die Melange komisch-tragischer Verstrickungen scheint ihr auf den Leib geschrieben. Ihre schwindsüchtige Lotte in dem Stück „Lina“ rührte an und war zugleich ein Kabinettstück pointierten Aufbegehrens. Nun steht die Premiere ihrer fünften Arbeit am Hans Otto Theater bevor, und die junge Schauspielerin mit dem blonden Struwwelkopf hat auch in dieser Rolle sichtlich Feuer gefangen. Sie gestaltet in Ulrich Zaums „Himmelsleiter“, die am 6. März in der Russenhalle uraufgeführt wird, den Lebensweg der Potsdamer Publizistin Margarete Buber-Neumann nach. Die Zuschauer werden in diesem Stück anhand verschiedener, teils authentischer Biografien auf eine Zeitreise mitgenommen, die das Scheitern einer großen Utopie beleuchtet. „Was für ein Brocken“, dachte Jennipher Antoni, als sie das erste Mal diese Geschichte über den deutschen Kommunismus vom Ende des Ersten Weltkrieges bis in die 50er Jahre las. „Inzwischen ahne ich aber den Bogen, den diese Bilderbuchreise schlagen will.“ Neben der Regie von Tobias Sosinka fasziniere sie vor allem die Klangebene, mit der Komponist Serge Weber die verschiedenen Handlungsstränge untermalt und zusammenfügt. „Es gibt solistische und chorische Gesänge und erstmals wird mir auch eine choreografisch-tänzerische Ebene abverlangt.“ Besonders freue sie sich aber, dass sie auch auf ihrem Saxophon improvisieren könne. Um sich an ihre Figur heranzutasten, las Jennipher Antonie erst einmal Margarete Buber-Neumanns Buch „Von Potsdam bis Moskau“ sowie Stefan Hermlins „Abendlicht“ und eine Biografie über die jüdische Kommunistin Lenka Reinerova. „Diese Literatur inspirierte mich, auch wenn sie beim Spiel weniger ausschlaggebend ist.“ Vor allem sei es ja wichtig, eine Entwicklung der Figur aufzuzeigen: Margarete Buber-Neumann trennte sich sehr früh vom Elternhaus, wollte sich der harten Hand des Vaters entziehen. Über den Kontakt zu Rafael Buber, den sie heiratete und von dem sie auch zwei Töchter bekam, gelangte sie zur Kommunistischen Partei. Dort lernte sie Heinz Neumann, ihren zweiten Ehemann, kennen: „ein hochgebildeter Mann, der auch zu Stalin Kontakt hatte“. 1933 fliehen beide nach Moskau. Da sich ihr Mann gegen jede Parteikonformität aufbäumte, wurde er 1937 verhaftet. Margarete kam nach Sibirien ins Zwangslager und im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts 1940 schließlich ins KZ Ravensbrück. Nach 1945 schrieb sie gegen jede Form der Diktatur an. Jennipher Antoni möchte ihre Rolle keineswegs zu einer Jeanne d“Arc oder Rosa Luxemburg hoch stilisieren. „Ich möchte eine Frau mit ihren Schwächen, Sehnsüchten und Träumen zeigen, die auch mal ungestüm und jähzornig ist.“ Am besten gefalle ihr der offene Schluss. Margarete – im Stück Grete genannt – sei ganz naiv losgezogen, habe viel in der Welt erlebt. „Schließlich kehrt sie in die Heimatstadt zurück und denkt: ,Mal sehen, was der alte Starrkopf, der Vater, so macht“.“ Bei den ersten Proben in der Russenhalle erlebten die Schauspieler geradezu einen Kälteschock. „Mit Pudelmütze, Handschuhen und fünf Paar Strümpfen versuchten wir, gegen die neun Grad anzuspielen. Inzwischen haben wir eine Teeabteilung und ein paar Grad mehr – aber das ist im Spiel eigentlich unerheblich. Gerade das Unberechenbare ist eine Herausforderung.“ Jennipher Antoni ist keine Frau, die klagt. Es kann offenbar gar nicht genug Arbeit und Reizpotential geben. Sie stolpert geradezu von einer Inszenierung in die andere, freut sich zudem über Lesungen, und wenn eine Kollegin erkrankt, übernimmt sie aus dem Stegreif kurzerhand deren Rolle. „So ein Tempo ist sicher nicht immer durchhaltbar. Aber wir wussten ja, auf was wir uns einlassen, als wir mit dem Intendanten Uwe Eric Laufenberg hier von vorn anfingen. Wir wollen die Potsdamer einfach wieder ins Theater kriegen. Und da hält das Ensemble bei allen Höhen und Tiefen zusammen. Es ist auch schon witzig, wenn ich jetzt mit Kollegen wie Roland Kuchenbuch zusammen auf der Bühne stehe, mit denen schon meine Mutter in Potsdam arbeitete.“ Jennipher atmete Theaterluft, so lange sie denken kann. Sie ging mit zu den Proben der Mutter am Berliner Ensemble und freute sich, in ihrer Nähe zu sein. Trotz der großen Faszination der Bühne, wollte sie nicht Schauspielerin, sondern Archäologin oder Journalistin werden. „Erst als ich 14 war, ging ich zu einem Casting. Meine Eltern fanden das Okay, hätten mich aber nie dazu überredet.“ Frank Beyers „Das große Fest“ wurde ihre erste „kleine, schöne Erfahrung.“ Immer wieder kamen Rollenangebote, bei „Doktor Specht“ oder im „Tatort“. „Vormittags ging“s in die Schule, nachmittags zum Drehen und nachts warteten die Hausaufgaben. An Freunde war da kaum zu denken. Aber ich bin von Natur aus keine Herdentier, dafür umso mehr ein Familienmensch.“ Die Filmleute wurden schließlich ihre zweite Familie. „Mit dem Theater hatte ich weniger Kontakt, weil ich den Rucksack mitschleppte, die Tochter der bekannten Schauspielerin Carmen-Maja Antoni zu sein. Und da ich kein Gegenschlag von ihr bin, werde ich natürlich verglichen. Das setzte mich sehr unter Druck. Beim Film konnte ich selber meinen Weg finden.“ Es habe aber nie Konkurrenzdenken gegeben. „Meine Mutter ist meine schärfste und wichtigste Kritikerin und ich habe größtes Vertrauen zu ihr. Inzwischen hat sich aus der Mutter eine gute Freundin entwickelt.“ Nach dem Abi bewarb sich die Berlinerin an der Schauspielschule „Ernst Busch“: „Durch die erste Prüfung kam ich rasend gut, bei der zweiten war ich wie blockiert. Große Selbstzweifel setzten sich fest. Zum Glück kam kurz danach das Angebot, in dem ZDF-Zweiteiler ,Freiwild“ mitzuspielen, eine sehr heftige, aber schöne Arbeit, die mich wieder gesunden ließ.“ Dennoch stand sie in einem großen Konflikt: denn da gab es auch noch die große Liebe zur Sprache und Literatur, die sie vom Vater mit auf den Weg bekam. Und so studierte sie schließlich Russisch-Japanisch, ohne nebenher auf das Filmen zu verzichten. Sie hatte schon vier Jahre Studium hinter sich, da nahm sie ein Regisseur tüchtig in die Mangel, unbedingt zur Schauspielschule zu gehen. Also bewarb sie sich 24-jährig an der HFF, dort wo auch ihre Mutter ihre Spuren hinterlassen hatte. Die Aufnahmeprüfung war diesmal keine Hürde. Zur gleichen Zeit winkte aber auch ein achtmonatiges Japan-Stipendium. „Es kostete mich viele, viele schlaflose Nächte, mich zu entscheiden. Die größte Leidenschaft, das Spielen, gewann schließlich die Oberhand. Aber es tat dennoch weh.“ An der HFF habe sie sich stellenweise unwohl gefühlt, vermisste oft den Kontakt nach draußen. „Ich war 26 und wollte einfach spielen.“ Mit ihrer gegen alle Klischees gebürsteten Julia konnte sie gleich beim ersten Vorspiel am Hans Otto Theater überzeugen. Schon vor ihrem Festvertrag ab Juni 2004 gastierte sie in der Komödie „Der eingebildete Kranke“ und setzte als Tochter schnodderig-erfrischende Akzente. In kurzer Zeit lernte sie die verschiedensten Regie-Handschriften kennen: „der eine ist ein Grübler, der andere ein Bastler, der eine arbeitet intellektuell, der andere bildhaft.“ Und sie selber packt das Eigene dazu. „Fertig gedeckte Tische finde ich uninteressant. Ich möchte den Tisch selber mit decken.“ Ob große oder kleine Rollen, Jennipher Antoni wirft sich mit größtem Engagement hinein. Und selbst vor Serien würde sie nicht naserümpfend davon laufen. „Nur Soaps lehne ich knallhart ab.“ Sie mag es, sich festzubeißen und brauche den Thrill. „Selbst auf Proben bekomme ich mitunter unkontrollierte Gefühlsausbrüche und zur Premiere wahre Adrenalinausstöße.“ Zu Hause versucht sie die Arbeit hinter sich zu lassen, spielt Saxophon, geht zum asiatischen Kampfsport und vor allem ins Kino und Theater. „Der größte Haltepunkt aber ist meine Familie“, mit der es dann auch zusammen in die Welt hinaus geht. Reisen ist nach Theater und Sprachen ihre dritte große Leidenschaft. „Und irgendwann möchte ich ein kleines Haus in Süditalien haben“, kann sie auch das mediterrane Blut des Großvaters nicht verleugnen. Ihre Kinder sollen später einmal aufwachsen wie sie selbst, mit Zeit zum Kindsein und Raum für eigene Entscheidungen. Heidi Jäger Die Premiere ist am Sonntag, 19 Uhr, in der Russenhalle.

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