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Kultur: Junger Ostrock

Maximilian Wilhelm & Co. heute auf dem Theaterschiff

Seine Mutter hatte nur Liedermacher wie Kurt Demmler im „Ostteil“ ihres Plattenschranks. Der Vater hörte lieber Rock à la Scorpions aus dem Westen. Woher nimmt ein 23-Jähriger nun die Liebe zum Ostrock und singt mit Hingabe auf seinen „Stationen der Sehnsucht“-Konzerten – wie heute auf dem Potsdamer Theaterschiff – Sillys „Schlohweißer Tag“ oder den wohl traurigsten Renft-Hit „Als ich wie ein Vogel war“?

Der Rudolstädter Maximilian Wilhelm, Student der Kunstgeschichte, hatte am Gymnasium einen Musiklehrer, der heute Keyboarder seiner Band ist. „Volkmar Haupt erlebte noch den letzten Schwapp des Ostrocks und über ihn lernte ich den Sänger Dirk Zöllner kennen, mit dem ich inzwischen befreundet bin.“ Wie das mit Kontakten so ist, öffnen sie oft weitere Türen. Schließlich standen Maximilian Wilhelm & Band 2008 als Vorprogramm bei einem Silly-Konzert in Rudolstadt auf der Bühne. Die entscheidende Initialzündung für ihre Reise in die Vergangenheit.

Die Zeit englischsprachiger Songs war abrupt vorbei, Deutsch angesagt, auch bei eigenen Texten. Die Band aus Thüringen arrangierte Songs von Pankow, City oder Gundermann neu, wollte nicht nur covern. So singen sie auch Sillys „So ’ne kleine Frau“, ohne sich wie Anna Loos den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie Tamara Danz gerecht werden. „Wir machen die Lieder einfach zu unseren eigenen“, sagt Maximilian. „Es sind geniale poetische Texte mit Tiefgang, die auch heute etwas zu erzählen haben. Vor allem aber viel Gefühl aus ihrer Zeit rüberbringen.“ Es sei in der DDR schon krass gewesen, reflektiert der junge Mann. „Der Text musste ja nicht nur gut klingen, die Musiker mussten auch noch überlegen: Was darf ich sagen? Wer macht sich darüber heute einen Kopf? Wir leben in einer ganz anderen Welt.“ Und so erzählt der Nachgeborene, der sich auf der Bühne nicht anmaßen möchte, die DDR zu erklären, den Gleichaltrigen im Publikum auch etwas über „Blaue Elefanten“. Textzeilen, die so offensichtlich kritisch geschrieben waren, dass sie dem Rotstift der DDR-Zensur zum Opfer fielen, dadurch aber subtilere Kritik in den Liedern erhalten blieb. Lieder, die es auch heute noch zu hören lohnt: sogar von Deutsch lernenden Gymnasiasten in Frankreich, vor denen Maximilian Wilhelm und sein 39-jähriger Keyboarder in einer Projektwoche zum Thema DDR aufgetreten sind.

Während sie sich auch auf dem Theaterschiff als Duo präsentieren, bereitet sich die insgesamt vierköpfige Band auf ihre Auftritte ab März mit erstem eigenen Album vor. „Status unsichtbar“ wird es heißen und Texte vom Zöllner- und Silly-Schreiber Werner Karma ebenso aufweisen wie die von Maximilian Wilhelm. „Es geht um Schwierigkeiten im Leben, auch wenn sich das vielleicht etwas breitgetrascht anhört. Uns interessiert vor allem die Hektik der immer erreichbaren Gesellschaft“, sagt der Student, der selbst nicht ohne Handy auskommt und sich oft getrieben fühlt. Die Band begibt sich mit ihrem Album ins Funkloch, mit durchaus druckvoller Rock-Pop-Musik und deutschen Texten jenseits des Mainstreams. Sie geht wieder eigene Wege. Doch heute Abend nimmt sie noch einmal „Asyl im Paradies“.Heidi Jäger

Heute, 21 Uhr, Theaterschiff, In der Alten Fahrt / Am Alten Markt 9 A, Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 7 Euro

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