zum Hauptinhalt

Kultur: Kontrapunkt zur „Puppenstube“

Am 1. Mai gibt es wieder das „Offene Atelier“

Am 1. Mai gibt es wieder das „Offene Atelier“ Wo gehobelt wird, fallen Späne. Davon kann man sich am Sonntag in der Werkstatt von Marcus Golter überzeugen, wenn er seine über zwei Meter hohe Skulptur aus Styropor bearbeitet. Mit feiner scharfer Säge und großem Fleischermesser schält er aus dem zusammengeklebten Plattenkörper seine vielköpfige „Klon“-Figur heraus, die später in Beton gegossen und versilbert werden soll. Wer Lust hat, ihm bei diesem spanreichen „Werkeln“ über die Schultern zu schauen, sollte sich am Sonntag auf den Weg in die Jägerstraße 13 machen, denn er gehört mit zu den Künstlern, die sich am 1. Mai an dem bereits traditionellen Tag des offenen Ateliers beteiligen. In der Galerie Ruhnke, die erstmals bei dieser Arbeitsatmosphäre verströmenden Besucherofferte dabei ist, gab es beim gestrigen Pressegespräch schon mal einen Vorgeschmack auf die Kraft zeitgenössischer Kunst. Dort stellt derzeit Ulla Walter, eine Meisterschülerin von Bernhard Heisig, sehr eindrucksvolle Bilder und Licht-Objekte aus. Sonntag wird sie demonstrieren, wie solche Licht-Skulpturen entstehen. Galerist Werner Ruhnke verwies auf die sehr vielseitige und lebendige Kunstszene Potsdams, die in der öffentlichen Wahrnehmung aber immer noch ein Stiefkind sei. Gerade die Offenen Ateliers könnten zeigen, was die Stadt an moderner, zeitgenössischer Kunst zu bieten hat. „Potsdam schmückt sich immer mit seinem Edelstein, den Schlössern und Gärten, aber man muss auch Brücken zur Moderne bauen und das Potsdamer Profil schärfen.“ Auch in der Kulturhauptstadtbewerbung sei die Bildende Kunst nicht gut weggekommen. „Es ist wichtig, dass die Künstler ihre Interessen gemeinsam wahrnehmen“, so der Galerist und Gewerkschafter. Deshalb schlossen sich jetzt mehrere Privatgalerien zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, der u.a. die Galerien Sperl, Herr, Burstert & Albrecht sowie Ruhnke angehören. Bei der dritten Zusammenkunft gestern Abend signalisierten weitere ihr Interesse. „Es geht uns bei diesem Zusammenschluss nicht nur um das Thema Geld, sondern um Anerkennung und Unterstützung von Aktivitäten, die da zum Beispiel Lange Nacht der Galerien und Museen heißen könnte.“ Trotz der Galerien-Vielfalt sei aber auch eine Kunsthalle wichtig, die aktuelle Kunst bewahrt, pflegt und präsentiert, und mit dafür sorgt, dass Potsdam mehr als eine Puppenstube sei. Ein kreatives Gegenstück zur Barock-Idylle liefert die Ateliergemeinschaft Seestraße 11, die am Sonntag mit der ersten Ausstellung in der hauseigenen Produzentengalerie aufwartet. Gezeigt werden Bronze- und Holzskulpturen von Chris Hinze und Malerei von Olga Maslo. Aber auch die Ateliers und Studios, in denen mittlerweile 15 Maler, Fotografen und Modedesigner eingezogen sind, werden ihre Türen weit öffnen. Und da auch die Liebe zur Kunst durch den Magen geht, kann bei Riesengarnelen und Thüringer Bratwurst eine Grill-Pause eingelegt werden. Auch an die Kinder ist gedacht: Sie müssen sich nicht an der Hand der Eltern vor der großen Kunst langweilen, sondern können sich um 15 Uhr und 17 Uhr im Kinderkino bei „Chicken Run“ oder „Mr. Bean“ amüsieren. Bei allem Aufwind dieser Künstlergemeinschaft wird die Euphorie durch die räumliche Unsicherheit getrübt, denn zum Sommer muss das ehemalige Platten-Fachschul-Gebäude geräumt sein. „Die Stadt versprach, sich um einen Ersatz zu kümmern und darauf setzen wir. Es müsste keine dauerhafte Lösung sein, vielleicht eine leerstehende Schule oder Kita. Wenn wir dort einziehen, gibt es keinen Vandalismus und zudem entsteht Kunst“, so Sprecher Ronald Glomb. Auch die Keramikerin Alice Bahra sowie die Malerinnen Bettina Hünicke und Angela Frübing warben für ihr Offenes Atelier, in denen man gern den Geheimnissen ihres künstlerischen Tuns auf die Spur kommen darf – auch ganz ohne Späne. Heidi Jäger Weitere Informationen über alle Teilnehmer im Prospekt Offene Ateliers 2005 sowie Sonnabend in den PNN.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false