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Kultur: Max und Moritz verpoppt

Der „Club der toten Dichter“ mit Keimzeit- Gast Norbert Leisegang vertonte Wilhelm Buschs Werk im Lindenpark

Das klingt ja wie bei Ja, sie haben geklaut! Tocotronic, Element of Crime, Keimzeit, Tomte und wie die deutschen Bands mit den ironisch-tiefgründigen Texten alle heißen. Geklaut bei Wilhelm Busch, dem Meister des satirischen Reims. Der „Club der toten Dichter“ – vier Musiker, die sich der Neuvertonung literarischer Texte verschrieben haben – widmete sich am Samstagabend im Lindenpark Wilhelm Busch. Als Gastsänger nahmen sich die vier Musiker diesmal den Keimzeit-Frontmann Norbert Leisegang. Der Mix aus zum Teil altbekannten Versen und neuer Musik aus der Feder des Club-Vaters Reinhardt Reppke eröffnete beim Publikum oft ganz neue Einblicke in die mehrdeutigen Texte des Humoristen.

Dass der Zuhörer so oft an die gute Indiepop-Schule des „Grand Hotel van Cleef“-Plattenlabels oder an geniale Singer-Songwriter-Mucken erinnert wurde, lag sicherlich nicht nur am eindeutig gitarrenlastigen Aufbau des Clubs. Der Chef der „toten Dichter“, Reinhardt Reppke ist ein begnadeter Gitarrero – ob auf der Country-Klampfe oder der klassischen Akustik-Gitarre. Und wie für die Busch-Texte gemacht, schwang in seiner markanten Stimme stets der feine Ton der Ironie mit – am deutlichsten wurde das wohl bei dem vertonten „Max und Moritz“. In einem völlig verpoppten, fast schlageresken Musikkleid kam die Geschichte der zwei Lausbuben daher. Die Knie der Zuhörer im ausverkauften und bestuhlten Saal begannen wie auf Befehl zu zucken und das „Wehe, wehe, wehe, wehe“ war aus Reppkes Kehle wie ein akustisches Stirnrunzeln gepaart mit ironischem Grinsen. Diese Neuvertonung hatte Ohrwurm-Charakter.

Die Club-Musiker bedienten in dem gut zweistündigen Busch-Exkurs die gesamte Breite der Musikstile. Moritate reihten sich an bluesartige Stücke, groovig kam Buschs Abhandlung über „Die Tugend“ daher, „Ein Maulwurf“ wurde in reinsten Disco-Pop gewandet und das Lied „Sehnsucht“ hätte in seiner klassischen Balladen-Form auch in jedem Format-Radio neben der „Symphonie“ von Silbermond Platz finden können. Um nicht falsch verstanden zu werden – gerade diese grandiose Mischung machte die Qualität des Abends aus. Die Musikbegleitung verstärkte oder brach die mal markigen, mal sarkastischen, mal melancholischen Texte des Altmeisters Busch.

Keimzeit-Zeit war immer dann, wenn Norbert Leisegang das Mikrofon ergriff. Die unverwechselbare Stimme des Potsdamer Sängers trug insbesondere bei melancholisch-nachdenklichen Liedern zum wohligen Gefühl bei. Wie bei der kleinen, feinen Gedanken-Reimerei „Zweifach sind die Phantasien“ – die auch einen Einblick in Buschs zwiespältigen Geist zuließ. In jenem Moment war man wieder schnell bei der Poesie- Combo „Element of Crime“ – auch dank ähnlicher Instrumentierung mit Kontrabass, der von Helge Marx innigst bedient wurde.

Der eigentliche Höhepunkt des Abends war aber überraschenderweise ein Stück, bei dem kein Wort gesungen wurde. Dafür kamen Buschs Zeichnungen zum Einsatz: seine Geschichte „Der Virtuos“ über einen Klavierspieler und seinen Zuhörer. Keyboarder und Pianist Jörg Mischke unterstrich musikalisch jedes Bild von „Silentium“ über „Piano“ bis zum „Finale furioso“, wobei bei letzterem dann doch Schlagzeuger Tim Lorenz zur furioso-Unterstützung hinzugezogen wurde. Trotzdem: Mischke legte ein Meisterstück ab. Und auch optisch passte sich Mischke – wenn auch zurückhaltender als Buschs Pianist – den Bildern an. Wahrlich virtuos, das Publikum dankte mit frenetischem Jubel. Dass das letzte Stück eines abwechslungsreichen Konzerts dann doch vorhersehbar war, lag an Busch selbst. Natürlich war es der „Letzte Streich“ von Max und Moritz. Doch im echten Leben geht es auch nach dem finalen Streich weiter. Zwei Zugaben wurden erfolgreich eingefordert – wie ganz allgemein eine Weiterarbeit des „Clubs der toten Dichter“ zu wünschen ist.

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