zum Hauptinhalt
Einzigartiger Klangkörper. Profi- wie Amateurmusiker spielen zur Orchesterwoche zusammen – hier eine Probe in der Friedenskirche.

© Promo

Kultur: Mit ein wenig Wehmut

Potsdamer Orchesterwoche zum 36. Mal / Dietrich Schönherr verabschiedet sich als deren Leiter

Fast jedes Jahr ein Gedicht. Die Orchesterwoche in Versen. Mal weniger, mal mehr gelungen. Aber er hatte wohl immer viel Spaß beim Reimen. Gerhard Hennig ließ seine „Gesammelten Werke“, wie er sie selbst nennt, zum Orchesterwochen-Jubiläum vor sechs Jahren drucken. „Musizieren, das macht Spaß / mit und ohne Kontrabass, / teils mit, teils ohne Publikum, / schnell ist diese Woche um.“

In diesem Ton verfasste der Hobby-Cellist und Hobby-Reimer nach der ersten Orchesterwoche, einer Art kirchlichen Rüstzeit, im Jahre 1975 in Wiesenburg seine Verse. Damals hatte man die Orchesterwoche noch nicht mit Potsdam in Verbindung gebracht. Erst als der Gründer Dietrich Schönherr 1982 die Kantorenstelle in Finsterwalde mit der auf Hermannswerder in Potsdam wechselte und Musik am dortigen Kirchlichen Oberseminar und späteren evangelischen Gymnasium unterrichtete, kam die Orchesterwoche nach Potsdam. Seitdem ist sie nicht nur für Hermannswerder prägend, sondern auch für das musikalische Geschehen in der Landeshauptstadt. In der Hoffbauer-Stiftung hat sie ein gutes Zuhause gefunden, alles geschieht ohne öffentliche Förderung. Die Teilnehmer entrichten selbst einen Obolus.

Zwanzig Musikliebhaber kamen im ersten Jahr. Mit der Zeit wurden es immer mehr. 2011 haben sich 60 Musikanten angemeldet. Sechs bis acht Wochen vor dem Treffen in Potsdam werden jedem Teilnehmer die Noten zugeschickt, damit er gut vorbereitet nach Hermannswerder kommen kann. „Vier Tage lang gibt es intensive Proben in der Aula des Gymnasiums“, erzählt Werner Letz, Vorsitzender des Vereins. Dann geht es auf Konzerttour. „Wir bleiben in der näheren Umgebung, musizieren zumeist in Kirchen“, so Letz. Der Verein wurde 1992 gegründet, um die vielfältigen organisatorischen und finanziellen Belange der Orchesterwoche zu verwalten. Letz ist seit 1982 begeisterter Hornist im Orchester.

In diesem Jahr sind wieder Konzerte im Kloster Lehnin, im Brandenburger Dom und am kommenden Freitag, dem 5. August, in der Inselkirche Hermannswerder angesagt. Auch in die neu eröffnete Kulturscheune in Paretz wurde die Potsdamer Orchesterwoche eingeladen. Zum Abschluss gibt es am 7. August traditionell in der Friedenskirche Sanssouci ein Konzert.

„So wird ganz fröhlich musiziert, / auf jeden Fall hoch motiviert“, weiß Gerhard Hennig liebevoll in einem Gedicht zu berichten. „Und über Unzulänglichkeiten / muss man danach nicht lange streiten“, gibt er unumwunden zu. Doch wer die Potsdamer Orchesterwoche seit Jahren als Zuhörer begleitet, der wird feststellen müssen: Hier hat sich ein Klangkörper entwickelt, der nicht nur mit Spielfreude musiziert – dies darf man gerade von einem Laienorchester erwarten –, auch dessen spieltechnische und interpretatorische Qualitäten nehmen sehr für sich ein. Hobbymusikanten sind die meisten Teilnehmer. Sie reisen aus allen Teilen der Republik an, auch Instrumentalisten aus Holland, Ungarn, Polen oder Schweden waren bislang dabei. Aber auch so mancher Musiklehrer oder professioneller Orchestermusiker lässt es sich nicht nehmen, in der Orchesterwoche zu musizieren.

„Zwar bringen die Tage / auch Mühe und Plage, / jedoch das Ergebnis bedeutet uns viel“, reimt Hennig. Dirigent Dietrich Schönherr und die Musiker, deren Alter zwischen 17 bis 70 Jahren liegt, stellen hohe Ansprüche an sich und an die Kompositionen, die sie interpretieren. Die Werkauswahl Schönherrs kann sich messen lassen mit jedem Berufsorchester, oftmals auch was den Schwierigkeitsgrad betrifft. Musik aus der Barockzeit über Klassik und Romantik bis zur Moderne steht auf dem Programm. Der Potsdamer Komponist Gisbert Näther hält große Stücke auf das Orchester und schrieb ihm zwei Werke, die mit großem Erfolg zur Uraufführung gebracht wurden: das Concerto romantico und die Fantasie über „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Auch bei so mancher Oratorien-Aufführung der Hermannswerder-Chöre übernahm der Klangkörper den Orchesterpart.

„Für die diesjährige Orchesterwoche haben wir, so glaube ich, wieder eine spannende Musikauswahl getroffen“, sagt Werner Letz. „So spielen wir unter anderem Werke von dem Spätromantiker Robert Volkmann, mit dessen Kompositionen wir uns immer wieder auseinandersetzen, von dem Impressionisten Claude Debussy und dem Norweger Edvard Grieg.“ Für das Hornkonzert von Richard Strauss konnte man die junge Musikerin Anne Ulrike Webers gewinnen.

Während der diesjährigen Orchesterwoche wird bei allem fröhlichen Musizieren auch ein wenig Wehmut mitschwingen. Dietrich Schönherr, der seit 36 Jahren Mittelpunkt der Musikanten war, wird aus Altersgründen in der Friedenskirche zum letzten Mal als Dirigent das Orchester leiten. „Zwar ist die Orchesterwoche mein ans Herz gewachsenes Kind. Aber nach 36 Jahren muss man sich von ihm auch verabschieden können, damit es neue Wege gehen kann“, sagt Dietrich Schönherr den PNN. Im März 2010 hatte er bereits die Tätigkeiten als Insel-Kantor und Musikpädagoge am Gymnasium beendet.

„Unserem Dirigenten gilt unser großes Dankeschön für die gemeinsamen Jahre des Musizierens, die uns und sicherlich auch den vielen Konzertbesuchern Freude und musikalische Erlebnisse geschenkt haben“, so der Vereinsvorsitzende Werner Letz. Bei aller Traurigkeit bleibt Gerhard Hennig aber optimistisch: „Inzwischen machen wir ganz heiter, / so, wie wir es gewohnt sind, weiter!“

Konzert der Potsdamer Orchesterwoche in Potsdam am Freitag, dem 5. August, um 18 Uhr in der Inselkirche Hermannswerder sowie am Sonntag, dem 7. August, um 16 Uhr in der Friedenskirche Sanssouci.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false