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Kultur: Nicht weniger verändert als die Dampfmaschine Epoche der Aufklärung: Zehn Jahre FEA in Potsdam

Ein paar Worte sollten es nur werden, bevor man in aller Kargheit, bei Brezeln, Wasser und Wein auf das 10-Jährige Jubiläum anstößt. Karg, wie das brandenburgisch-preußische Land, in dem man einst einen König wegen der Kartoffeln verehrte.

Ein paar Worte sollten es nur werden, bevor man in aller Kargheit, bei Brezeln, Wasser und Wein auf das 10-Jährige Jubiläum anstößt. Karg, wie das brandenburgisch-preußische Land, in dem man einst einen König wegen der Kartoffeln verehrte. Doch dann wurde die Rede des Direktors des Forschungszentrums Europäische Aufklärung (FEA), Prof. Günther Lottes, doch zu einer Brandrede. So heiß, dass am Ende sogar die Feuerwehr am Neuen Markt anrücken musste. Wieso das Warnlicht am Eingang des Zentrums angesprungen war, konnte indes nicht geklärt werden. Vielleicht hatte es tatsächlich etwas mit Lottes zündenden Worten zu tun.

Rückblick auf ein „verlorenes Jahrzehnt“ Aufklärungsforschung in Potsdam nannte Prof. Lottes, der das FEA seit 1999 leitet, seine Würdigung. In Anspielung darauf, dass neuerdings Geisteswissenschaftliche Zentren wie das FEA als ein Instrument der Forschung zur Disposition gestellt würden. Scheitern heiße in Potsdam unter anderem: Sechs Berufungen von FEA-Mitarbeitern auf Professuren, drei abgeschlossene und weitere Habilitationen, zahlreiche Promotionen, Projekte, die wissenschaftliches Neuland erschließen, Kooperationspartner in Europa und den USA, über 30 größere Tagungen in den vergangenen Jahren und zwei wissenschaftliche Publikationsreihen. „Mag die Kritik nicht überzeugen, so sind so ehrenwert die Kritiker, dass sie nicht irren können“, endete Lottes seine Adaption der Totenrede des Antonius in Shakespeares Julius Caesar.

Warum nun den Geisteswissenschaftlichen Zentren in jüngster Zeit der Wind ins Gesicht schlägt, benennt Lottes ohne Umschweife. Gehe doch die Finanzierung der Zentren, die einst zur Ergänzung der Universitätsforschung etabliert wurden, genau auf deren Konto. „In einer Zeit knapper Mittel werden sie deshalb zu lästigen Konkurrenten, die man von den Fleischtöpfen gerne wegbeißt“, spitzt Lottes zu. Seine Kritik ist grundlegend: Heute sei die Wissenschaftskultur zunehmend interessengeleitet. Meinungsmacht werde in ihr institutionell und nicht mehr argumentativ begründet: „Es gilt das Recht des Stärkeren.“ Wissenschaft und Erkenntnis sei in den Hintergrund getreten. „Zugleich hat die irrwitzige Idee, die Drittmitteleinwerbung zum Maß aller Urteile zu machen, den Wettbewerbsgedanken in den Wissenschaften grotesk verzerrt.“ Immer größere Forschungsverbünde würden den gerade in den Geisteswissenschaften so wichtigen Einzelforscher verdrängen. „Mittlerweile wird geforscht, nicht weil wir etwas wissen wollen, weil eine Frage nach Antwort drängt, sondern weil wir Fördermittel verbuchen wollen“, so der Historiker, der als Aufklärungs-Experte kritisches Denken augenscheinlich verinnerlicht hat. Die Aufgabe der Pflege und Mehrung des Wissensbesitzes scheint seiner Zunft abhanden zu kommen, die sich in einer Telenovela mit dem Titel „Verliebt in die Forschung“ wähne.

Und schließlich: Was die Geisteswissenschaften leisten, lasse sich nur im Ausnahmefall in Transferzentren verwerten. „Und doch haben die Ideen der Menschenrechte und der Volkssouveränität – um in die Epoche zurückzukehren, für die unser Zentrum verantwortlich ist – die Welt nicht weniger verändert als die Dampfmaschine. Jan Kixmüller

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